Benefiz-Gala des „sphaera“-Vereins zur internationalen Förderung von Bühnenkunst

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Stuttgart, 30/11/2003

Mit einer hochkarätigen viereinhalbstündigen Mammut-Benefiz-Gala im ausverkauften großen Saal des Stuttgarter Theaterhauses hat der „sphaera“ genannte Verein zur internationalen Förderung von Bühnenkunst seine Arbeit aufgenommen. Sie wurde trotz ihrer exzessiven Länge zu einem rauschenden Erfolg für ihren Initiator Jongky Goei und die beteiligten, sämtlich ohne Gage auftretenden Musiker und Tänzer. Goei, Indonesier chinesischer Abstammung, der sich mit diesem Abend selbst das kostspieligste Geschenk zu seinem fünfzigsten Geburtstag leistete, ist ein in Stuttgart seit langem ansässiger Pianist, Manager, Agent und Impresario, mit Freunden in der ganzen Welt, der unter anderem auch das Stuttgarter Ballett schon mehrfach auf Auslandstourneen geschickt hat.

Musikalisch umrahmt von Mitgliedern des Staatsorchesters, die unter der Metier erfahrenen Leitung von Rainer Ross mit den Klaviersolisten Oliver Kern, Shao-Yin Huang, Sebastian Euler und Wei Tsin-Fu Konzerte von Mozart, Saint-Saint-Saëns und Schostakowitsch musizierten, zeigten 27 Tänzer aus aller Herren Länder ein Programm, das so clever zusammengestellt war, dass es immer wieder neue Höhepunkte zu bestaunen gab. Beteiligt daran waren auch so beliebte Stuttgarter Solisten und Choreografen wie Sonia Santiago, Eric Gauthier, Mark McClain, Ivan Cavallari, der als Gast aus Birmingham zurückgekehrte Wolfgang Stollwitzer und der inzwischen zum Musical-Star avancierte Randy Diamond – vom Publikum ebenso warmherzig begrüsst wie ihre Kollegen. Ein paar von ihnen hatten hier schon bei früheren Gelegenheiten gastiert wie der Choreograf Stephan Thoss, inzwischen Ballettchef in Hannover, der mit seiner Partnerin Romy Liebig einen Mozart-Pas-de-deux präsentierte, der sehr wohl aus dem „Amadeus“-Film von Milos Forman stammen könnte.

Andere hatten hier an der Cranko-Schule studiert wie der Spanier Iker Murillo, der zusammen mit der Zürcher Ballerina Yen Han einen schnittigen Pas de deux aus Heinz Spoerlis „In den Winden im Nichts“ tanzte, oder hatten ihre Karrieren beim Stuttgarter Ballett begonnen, wie der Junior-Choreograf Alejandro Cerrudo Martinez oder der Däne Kenneth Greve, heute erster Solist bei den Königlichen Dänen. Es erscheint in höchstem Masse ungerecht, bei so viel uneigennützigem Engagement einen zu erwähnen oder eine andere auszulassen, doch wie könnte man bei solcher Überfülle allen gleichermaßen gerecht werden? Da dies indessen ein persönliches Journal ist, gestatte ich mir, meine drei persönlichen Favoriten zu nominieren.

Das waren zum einen als klassische Pas-de-deux-Partner die beiden Top-Solisten vom Londoner Royal Ballet, die Rumänin Alina Cojocaru und der Däne Johan Kobborg mit dem „Don Quixote“-Bravourreißer, den sie zu einer Trouvaille sublimster Kunst adelten – sie eine Musik gewordene feingliedrig-leichtgewichtige Porzellanballerina, geformt in den Weltklasse-Studios, aus denen die rumänischen Goldmedaillen-Gymnastinnen kommen – er ein Prinz aus dem blaublütigsten dänischen Erik-Bruhn-Adel, mit einer derart auf Hochglanz polierten Virtuositätstechnik, dass sich selbst ein Baryschnikow oder Nurejew eine Scheibe davon abschneiden könnten.

Das war zum anderen die Entdeckung eines, wie mir scheint, faszinierend eigengeprägten Choreografen: Mario Schröder. Der, aus der Palucca-Schule hervorgegangen, Tänzer in Leipzig, Ballettmeister in Würzburg, inzwischen Chef in Kiel, verlangt in seinem Pas deux „Pour un clin de oeil“ seinen Solisten Anne-Marie Warbuton und dem formidablen Lars Scheibner geradezu atemberaubende, dabei immer hoch musikalische dramatische Fights und Crashes ab. Den sollte Reid Anderson unbedingt einmal nach Stuttgart holen!

Und das war drittens und vielleicht am überraschendsten die Offensive einer Fünften Tänzer-Kolonne aus der chinesischen Provinz – einer Equipe vom Liaoning Staatsballett, mit denen Cavallari im vorigen Jahr sein erstes abendfüllendes Ballett „Der letzte Kaiser und ich“ erarbeitet hatte (mit Stollwitzer als Gast). Die empfahlen sich nicht nur als hoch talentierte und bestens geschulte Klassiker in solchen Brot-und-Butter-Pas-deux aus „Schwanensee“, „Esmeralda“ und „Le Corsaire“, sondern auch als ausdrucksstarke Rollengestalter in ein paar Ausschnitten aus Cavallaris „Letztem Kaiser“ – wobei der erst neunzehnjährige Xiao Yuanyuan in Stuttgart möglicherweise die erste Stufe einer Weltkarriere erklommen hat. Jedenfalls machten die Ausschnitte aus dem „Letzten Kaiser“ enormen Appetit auf das ganze Ballett und die Kompanie aus Schenyang, die Jongky Goei als nächstes großes Projekt des neuen Sphaera-Vereins auf ihrer ersten westlichen Auslandstournee auch nach Stuttgart zu bringen hofft. In diesem Sinne: Good Luck!

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