Die schwierige Situation privater Stuttgarter Ballettschulen

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Stuttgart, 12/06/2003

In diesen Tagen macht in Stuttgart ein Brief die Runde, der einen Abschied ankündigt. In ihm teilt Traudl Kuppe-Loew mit, dass sie nach über fünfzigjähriger Tätigkeit die Leitung ihrer bestens renommierten Ballettschule abgibt. Im Herzen Stuttgarts gelegen, nur wenige Meter vom Schlossplatz entfernt, ist ihre Schule seit langem fester Teil des Stuttgarter Ballett-Establishments, und man kann sich nicht gut vorstellen, wie es ohne sie weitergehen soll. Doch wird man Verständnis haben für ihren Entschluss: das Alter mit den üblichen Beschwerden, die unvermeidliche „Materialermüdung“ nach jahrzehntelanger derartig kräfteverzehrender Aktivität ...

Indessen hat sie eine Nachfolgerin bestellt: die aus Lettland stammende Aelita Himmelreich, eine erfahrene Ballerina, die auch an der Deutschen Staatsoper in Ost-Berlin getanzt hat, als Pädagogin an der Ballettschule in Riga und zuletzt bei Uwe Scholz in Leipzig gearbeitet hat. Zum neuen Schuljahr 2003/04 soll sie die Nachfolge von Traudl Kuppe-Loew antreten und dort zusammen mit Annette Möller, Anna de Palma-Garbay und Christian Fallanga arbeiten. Wobei sie unsere besten Wünsche begleiten.

So nahtlos wie erhofft wird der Übergang indessen nicht vonstattengehen. Ausgerechnet in dieser heiklen Situation hat ihr der Besitzer des Marquardtbaus (das ist ein Gebäudekomplex, in dem die verschiedensten Dienstleistungsbetriebe untergebracht sind – unter anderem ein Theater, ein Café, mehrere Kinos, Gaststätten und diverse Agenturen) ohne Vorwarnung aus heiterem Himmel gekündigt. Man kann sich die Aufregung vorstellen, die diese Benachrichtigung ausgelöst hat – und auch die Schwierigkeiten, die die Suche nach geeigneten neuen Räumlichkeiten bereiten wird, zumal in der bisherigen Vorzugslage. Man kann da nur die Daumen drücken, dass es nicht zu einem weiteren Schulschluss kommt wie im Vorjahr bei Braig-Witzels in Zuffenhausen.

Aus New York haben wir in den letzten Jahren immer wieder von ähnlichen Vorfällen gehört. Dass diese Welle nun auch auf unseren Kontinent überzuschwappen droht, beobachten wir mit großer Beklemmung. Übrigens erreicht uns diese Meldung über die Kündigung nicht etwa aus Stuttgart, sondern aus dem fernen Spanien – genau: aus Zaragoza, wo die Tochter von Frau Kuppe-Loew, Patsy, Directora der lokalen Ballettkompanie ist, für deren Premiere im Mai übrigens nicht nur sie selbst, sondern zwei weitere gute alte Bekannte, von denen wir schon seit längerem nichts mehr gehört hatten, neue Stücke, und wie sie schreibt, überaus erfolgreich, kreiert haben: der ebenfalls inzwischen in Zaragoza gelandete Patrice Montagnon und Davide Bombana (zuletzt in Florenz).

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