Höchste Alarmstufe in Berlin

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Stuttgart, 30/01/2003

Kaum hat Gerhard Brunner, der einzige Verbindungsmann des Tanzes mit einem direkten Draht zum Berliner Senat, die Stadt verlassen, schrillen die Alarmglocken. Von der einst angepeilten Ballettreform ist überhaupt nicht mehr die Rede. Es geht nur noch um die Opernreform, für die sich die Intendanten stark machen, um die Eigenständigkeit ihrer drei Häuser zu wahren. Die größte Enttäuschung bereitet dabei Udo Zimmermann, der sich zu seiner Leipziger Zeit noch energisch für Uwe Scholz und die Ballettkompanie in der Messestadt engagiert hatte, der aber in Berlin offenbar völliger Resignation anheimgefallen ist, was das Ballett betrifft. Doch verhalten sich seine beiden Kollegen, Peter Mussbach als Chef der Lindenoper, und Andreas Homoki an der Komischen Oper, kaum aufgeschlossener. Alle drei sind ausgesprochene Nicht-Profis des Tanzes – und das ist auch der Kultursenator Thomas Flier, den noch niemand bei einer Berliner Ballettpremiere gesichtet hat, und der auch alle Gesprächstermine mit Brunner abgesagt hat, um sich sichtlich erleichtert von ihm zu verabschieden.

Und so spielt das Ballett in dem Papier zur Opernstrukturreform nur noch die Rolle einer Fußnote. In ihr ist von einer Ballett GmbH die Rede, mit 88 Tänzern – nach 180 im Jahr 1999 und heute 117 –, die offenbar die drei Häuser in 150 Vorstellungen pro Spielzeit betanzen sollen. Dabei geht man davon aus, dass sie alle Allround-Tänzer sind, denn sie müssen heute in der Lage sein, „Bayadère“ zu tanzen, morgen Kylián oder Duato und übermorgen dann Kresnik oder Waltz.

Man kann sich schwer vorstellen, dass sich die Schauspieler oder Opernsänger eine derart unseriöse und unprofessionelle Planung bieten lassen würden. Es bezeugt freilich auch die Unmündigkeit der Tänzer und ihrer Vorgesetzten, der Ballettdirektoren, Trainingsleiter und Pädagogen, dass sie nicht imstande sind, ihre berechtigten Ansprüche durchzusetzen – und dass sie ebenso wenig in der Lage sind, eine Lobby zu bilden, um ihre Situation publik zu machen. Und in diesen Kreis muss ich leider auch die Journalisten einbeziehen (mich nicht ausgenommen), die es versäumt haben, die Öffentlichkeit immer und immer wieder auf diesen unhaltbaren Zustand hinzuweisen.

Doch sind wir alle zusammen wirklich so ohnmächtig, dass wir uns mit dieser Gängelung durch ahnungslose Kulturpolitiker abzufinden haben? Karlsruhe scheint nur ein Vorecho gewesen zu sein. In Berlin zeichnet sich der totale Bankrott ab (den sie dort freilich in Sachen Bankenwesen bereits geübt haben). Und wir alle sind sehenden Auges in dieses Chaos hineingeschlittert! Hilfe! Gesucht wird ein Frank Bsirske für das Ballett!

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