John Kander und Fred Ebb: „Cabaret“

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Stuttgart, 09/12/2003

Ob „Cabaret“ die richtige Wahl für die jährliche Musical-Produktion im Alten Schauspielhaus Stuttgart war? Sprengt es nicht doch die Dimensionen dieses eher intimen Hauses? Nicht, dass ich die dortige Aufführung an der vorausgegangenen Inszenierung am Broadway und seine Verfilmung durch Bob Fosse messen wollte! Doch Cole Porters „Anything Goes“ auf der gleichen Bühne hat mich im Vorjahr glücklicher gemacht. Ich meine, dass Musicals kleineren Formats dort die besseren Chancen haben, Stücke von Kurt Weill, George Gershwin und Cole Porter etwa – oder unter den heutigen Autoren die von Stephen Sondheim.

„Cabaret“ drängt doch ins Große – nicht unbedingt ins Andrew Lloyd Webber oder Claude Michel Schönberg Glamouröse, aber doch ins Großstädtische, hier ist Weltstadt-Format gefragt – und sei es dessen schäbige Kehrseite, wie sie das in die Nazi-Barbarei abrutschende Berlin der „Roaring Twenties“ reflektierte. Das alles kommt in der Stuttgarter Inszenierung von Klaus Seiffert allzu behäbig, brav und etepetete einher. So kommt ein angenehmer, unterhaltsamer Theaterabend zustande. Man freut sich an den cleveren Dialogen, goutiert die Ohrwurm-Melodien, lässt die O-la-la-Schlüpfrigkeiten des Conférenciers auf der Zunge zergehen, findet die Tänzchen hübsch, die Darsteller proper und bemüht – aber, um es mit einem „Mahagonny“-Zitat zu sagen: Etwas fehlt! Der Kick, das gezielte Über-die Stränge-Schlagen, die hochgekitzelte Frivolität – das, was ich nicht im deutschen Duden finde, wohl aber im Oxford-Duden, und was dort Razzmatazz heißt (und mit Trubel, Rummel, etwas Aufgemotztem umschrieben wird).

Gelegentlich blitzte es in den Songs von Sally Bowles auf, als die Asita Leslie Gigi Djavadi nicht nur den etwas langweiligen (und so gar nicht an den Christopher Isherwood der zwanziger Jahre erinnernden) Clifford Bradshaw (alias Ben Zimmermann) betörte, während mir der Conférencier von Andreas Zaron reichlich forciert erschien. Wirklich angerührt hat mich nur der traurig schüchterne jüdische Gemüsehändler von Berthold Korner. Gelangweilt habe ich mich gleichwohl ganz und gar nicht – dazu ist der Stoff viel zu gut. Richtig angemacht, wie ich es von wirklich tollen Musical-Aufführungen kenne (und unvergesslich von meiner ersten Vorstellung am Broadway, „Hello, Dolly!“ gleich nach der Premiere im Januar 1964 in Erinnerung behalten habe), aber auch nicht. Es war ein netter Theaterabend – nicht mehr, aber auch nicht weniger!

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