Luigi Manzottis „Excelsior“ auf DVD

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Stuttgart, 28/05/2003

Ein Muss für unverbesserliche Ballett-Nostalgiker ist Luigi Manzottis „Excelsior“, Jahrgang 1881, in einer RAI-TV-Produktion aus dem Arcimboldo-Scala-Ersatztheater der Mailänder Scala vom Vorjahr. Ein Super-Spektakel in zwei Akten, war es seinerzeit weltweit ebenso erfolgreich wie die legendäre „Puppenfee“ – vom Typ her allerdings genau das Gegenteil: eine Revue des Fortschritts der Menschheit, der Wissenschaft und der Technik, des ungebrochenen humanistischen Optimismus und seines Siegs über die zerstörerischen Kräfte des Obskurantismus.

Die einander befehdenden Symbolfiguren sind die in strahlendem Weiß pas de bourrierende Ballerina des Lichts und der mephistophelisch als klapperndes Skelett opponierende Mime der Finsternis. Die Stationen der Handlung: das Spanien der Inquisition, ein Dorffest an der Weser mit dem Erscheinen des ersten Dampfschiffs, das Brooklyn-Viadukt mit darüber brausenden Expresszügen, das Laboratorium des Signor Volta in Como, der gerade die Elektrizität erfindet, das Telegrafenamt in Washington, ein Sandsturm in der Sahara mit einer Karawane, die zur Eröffnung des Suez-Kanals zieht, der Tunneldurchbruch am Mont Cenis und am Schluss die Apotheose des Grand Festivals der Nationen zur Feier des ewigen Friedens – sozusagen die Gründung der Vereinten Nationen avant la lettre.

Um das zu goutieren, bedarf es einer gehörigen Portion Naivität – und die besaß der Uraufführungschoreograf Luigi Manzotti (1835 bis 1905) offenbar im Übermaß – und so hat er diese Ballettpantomime mit einer Überfülle von kunterbunten Bildern ausgestattet: Tänzen jeglicher Art, en classique (der Verbrauch an Spitzenschuhen ist ungeheuerlich), aber auch en caractère und folklorique, mit kompakten Aufmärschen und Umzügen, viel Fahnenschwenken und grimassierenden Mimereien. Das ist außerordentlich belustigend – für den, dem der Sinn nach so spektakulärem Aktionismus steht – wobei die plaisierliche Musik von Romualdo Marenco zum einen Ohr herein und zum anderen wieder herausgeht.

Die ungeheuer aufwendige Produktion in den kunterbunten Dekors und Kostümen von Giulio Coltellacci mit dem Orchester (dirigiert von David Coleman) und Ballett des Teatro alla Scala ist von Ugo dell‘Ara nach dem historischen Vorbild neu choreografiert worden und wird von den Mailänder Tänzern mit geradezu preußischer Disziplin exekutiert. Die drei Hauptrollen werden von Marta Romagna (Licht), Riccardo Massini (Obskurantismus) und Roberto Bolle (Sklave) getanzt – Signora Romagna eine gertenschlanke Ballerina, die wie eine Feder durch dieses Panorama fliegt, Signor Massini ein gespenstischer Finsterling von Dracula-Format und Signor Bolle als ein Latin Lover aus der Familie von Rudolf Valentino.

Alles in allem ein Monstrum, das eigentlich nach einer Bühne von den Ausmaßen der Arena di Verona verlangt, das aber auch, so perfekt in Szene gesetzt, als Fernsehwinzling durchaus seinen Effekt macht – vorausgesetzt, wie gesagt, man verfügt über einen Sinn für derartigen historizistischen Plunder (TDK DV-Blexel).

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