Sondermeldung aus Moskau

oe
Stuttgart, 25/04/2003

Eine Meldung, die nicht direkt den Tanz betrifft, aber möglicherweise von weitreichenden Folgen auch für die russische Tanzszene ist. Aus Moskau berichtet mein Geheimagent, dass dort am Mittwoch im Bolschoi-Theater die Premiere der Neuinszenierung von Glinkas Oper „Ein Leben für den Zaren“ stattgefunden hat. Er zeigt sich wenig begeistert. Den Dirigenten hält er für eine Null, die Leistungen der Sänger schätzt er gering ein und die Inszenierung nennt er „eine kitschige Pelz- und Schmuck-Show“. Weiter heißt es in seinem Report: „Das Wichtigste war aber nicht, was auf der Bühne passierte, sondern was in der Königsloge stattfand. In der ersten Reihe saßen Valery Gergiev, Intendant und Chefdirigent des St. Petersburger Mariinsky-Theaters (der gleich nach der Pressekonferenz über sein von Mai bis Juli geplantes St. Petersburger Festival „Die weißen Nächte“ berichtete), weiter der Komponist Tichon Chrennikow, Präsident Putin, der Kultusminister Schwydkoj, die Ballerina Uljana Lopatkina aus St. Petersburg und ihre Kollegin Galina Stepanenko aus Moskau. Die Herrschaften haben das Theater während der Szene „Die Gärten der Naina“ verlassen.

Im letzten Akt war in der Loge einzig Stepanenko zugegen – mit sehr freundlichem Gesicht. Es gibt Gerüchte, denen zufolge Gergiev jetzt unbedingt das Bolschoi bekommen will, auch wenn er dafür sein Mariinsky verlassen muss. Am 4. Mai gastiert er mit der „Boris Godunow“-Inszenierung des Mariinsky auf dem Kathedralplatz im Herzen des Kreml, dem Originalschauplatz der Krönungsszene des „Boris“. Putin scheint entschlossen, alle wichtigen Positionen mit seinen St. Petersburger Leuten zu besetzen. So erscheint die Ambition von Gergiev nach dem St. Petersburger Jubiläum nicht unrealistisch. Summa summarum: der schwache jetzige Bolschoi-Intendant Wedernikow im Graben, der starke wartende Gergiev in der Königsloge. That's all! Mal sehen, ob unser Mann in Moskau mit seiner Vermutung recht behält!

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