Tanz und Tradition

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Stuttgart, 29/09/2003

Unmittelbar vor Monats-Torschluss noch ein rascher Hinweis auf einen fabelhaften Überblick, die Gesamtheit der deutschen Tanzszene betreffend. Die Rede ist vom September-Heft der Zeitschrift „Die deutsche Bühne“ mit dem Schwerpunktthema „Tanz & Tradition“ – immerhin 23, opulent bebilderte Seiten. Den Auftakt macht Malve Gradinger mit einem umfangreichen, ungemein informativen, durchaus kritischen Überblick unter eben diesem Thema über den Strukturwandel der deutschen Tanzlandschaft in den letzten Jahrzehnten. Anschließend nimmt Gerald Siegmund den „Tanz als Bewegung in der Geschichte“ ins Visier – da geht es um die Avantgarde zwischen David Gordon, Trisha Brown, Yvonne Rainer und Steve Paxton über Meg Stuart und Xavier Le Roy bis zu Forsythe. Dann macht sich Norbert Servos Gedanken über „Was aber bleibt?“ und plädiert für Traditionspflege im Dienste der Zukunft (hört, hört!). Wilhelm Roth nimmt sich Martin Schläpfers und Nils Christes als Hüter der „Gegenwärtigen Tradition“ an, während Katja Schneider sich auf das schwierige Problem der Frage „Ist Tanz tradierbar“ einlässt und Zweifel am Original-Anspruch der Revivalisten anmeldet.

Für Johannes Hirschler steht sodann fest: „Am Anfang war der Tanz“ („Noch bevor der Mensch sich mit Lauten verständigen konnte, kommunizierte er tänzerisch pantomimisch“). Zum Schluss stellt Elisabeth Feller unter dem Titel „Zwischen Klassik und Moderne“ eine sehr gewagte These auf: „Zwei Schweizer Ballettzentren: In Zürich pflegt Heinz Spoerli das klassische Ballett, in Basel steht der Engländer Richard Wherlock für modernes Tanztheater“. Wherlock und modernes Tanztheater? Einspruch, Euer Ehren! Vermisst habe ich eigentlich nur eine Untersuchung über den tänzerischen Publikumsgeschmack und den Doktrinarismus einiger Kritiker, die den – im Gegensatz zu ihnen selbst – zahlenden Besuchern die Lust am abendfüllenden Ballett mieszureden versuchen! Sechs Euro kostet das Heft, als dessen Herausgeber der Deutsche Bühnenverein/Bundesverband deutscher Theater zeichnet.

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