Wolfgang Gönnenwein zum siebzigsten Geburtstag

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Stuttgart, 29/01/2003

Der heutige siebzigste Geburtstag von Wolfgang Gönnenwein, künstlerischer Leiter der Ludwigsburger Schlossfestspiele seit 31 Jahren (und damit offenbar der dienstälteste Festspielintendant weit und breit) bietet nicht nur die Gelegenheit, ihm herzlich und aufrichtig zu gratulieren, sondern ihn auch als einen der letzten Intendanten mit einem großen Herz für das Ballett und den Tanz ganz allgemein zu feiern.

Erinnern wir uns daran, dass er gleich in seinen ersten Ludwigsburger Jahren Spoerli mit seinen Baslern eingeladen hat – und in den folgenden Jahren immer wieder – dann auch mit seiner Düsseldorfer Kompanie, gefolgt von den Zürchern und im letzten Jahr noch mit den Zürich Juniors. Wo sonst gibt es noch eine solche Kontinuität? Inzwischen hat sich das Ludwigsburger Tanzprogramm noch erweitert durch die Präsentation zahlreicher moderner, sogar ausgesprochen avantgardistischer Truppen in der Kaserne. Wenn ich es recht bedenke, ist Ludwigsburg heute neben Edinburgh das einzige internationale Allround-Festival, das dem Tanz einen so starken Programmanteil einräumt. Andere Städte haben ihre eigenen Tanzfestivals, aber keine andere Stadt, nicht Berlin, Wien, Salzburg, München oder New York, die alle Oper, Konzerte und Schauspiel in ihrem Festspiel-Angebot haben, kann es in puncto Tanz mit Edinburgh und Ludwigsburg aufnehmen.

Und auch als er dann Generalintendant der Württembergischen Staatstheater wurde, hat er sich nachdrücklich für das Stuttgarter Ballett eingesetzt – und wie Walter Erich Schäfer sich seinerzeit für Cranko stark gemacht hat, so ist Gönnenwein zu einer starken und verlässlichen Stütze für Marcia Haydée und ihre Stuttgarter Tänzerfamilie geworden. Ehre also, wem Ehre gebührt – und Wolfgang Gönnenwein gebührt wirklich große Ehre als Statthalter Terpsichores in Baden-Württemberg.

Ist Gönnenwein als Intendant ein Persönlichkeitstyp, der heute vom Aussterben bedroht ist? Wo gibt es denn sonst noch Opernintendanten, die sich wirklich tatkräftig für ihre Ballettkompanien einsetzen? Männer wie Hanns Niedecken-Gebhard in den zwanziger Jahren in Münster (als Ausgangsort für das spätere Jooss‘sche Folkwang Ballett), wie nach dem Krieg dann Grischa Barfuss in Wuppertal und Düsseldorf, wie Oscar Fritz Schuh in Köln, wie der große Walter Erich Schäfer in Stuttgart, wie Horst Statkus in Basel, wie Udo Zimmermann während seiner Leipziger Zeit (und leider nicht mehr in Berlin). An Negativbeispielen ist kein Mangel: Wolfgang Sawallisch in München, Götz Friedrich in Berlin, Ion Holender in Wien – auch die beiden anderen Intendanten in Berlin, Peter Mussbach an der Lindenoper und Andreas Homoki an der Komischen Oper haben wie auch Günter Krämer in Köln sich nicht gerade als Förderer ihrer Ballett- und Tanzensembles erwiesen.

Das erklärt auch die zunehmende Ambition ehrgeiziger Ballettleiter, selbst zu Intendanten zu werden: Neumeier in Hamburg, Forsythe in Frankfurt, Anderson in Stuttgart, Liška in München ... Davon zu träumen, wie es dem Ballett heute wohl ginge, wenn Lothar Späth als Nachfolger von Helmut Kohl Bundeskanzler geworden wäre, mit Wolfgang Gönnenwein als Kulturminister ...

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