Zum Abschluss der Ausstellung „Krokodil im Schwanensee“

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Stuttgart, 03/12/2003

Am letzten Wochenende hat die Ausstellung „Krokodil im Schwanensee – Tanz in Deutschland seit 1945“ in der Berliner Akademie der Künste ihre Pforten geschlossen. Ihre Bilanz fällt bedauernswert mager, wenn nicht gar negativ aus. Das liegt nicht an ihr – und auch nicht an ihren Machern, meine ich: Dirk Scheper als dem für die Ausstellung verantwortlichen Theaterreferenten der Akademie und ihren drei Kuratoren, Hedwig Müller, Ralf Stabel und Patricia Stöckemann. Sie haben so viel Engagement, Energie, Fleiß, Recherche, Auswahlüberlegungen und Display-Dramaturgie in sie investiert – von den Kosten gar nicht zu reden –, dass ich ihr wahrlich ein positiveres Ergebnis gewünscht hätte. Immerhin handelte es sich um die größte und umfangreichste Ausstellung über Tanz in Deutschland, die es je gegeben hat. Ich stelle mir vor, welch ein Echo ein derartiges Unternehmen in Paris, London oder New York hervorgerufen hätte!

Natürlich kann man der Meinung sein, dass man einzelne Aspekte anders hätte gewichten können. Doch bei welcher Ausstellung ist das nicht der Fall? Allerdings bin ich der Meinung, dass sie von den Medien untergewichtet worden ist. Dass ihr die sauertöpfische Besprechung in der FAZ geschadet hat. Vor allem aber kann ich nicht verstehen, warum sie von unseren beiden Fachzeitschriften gar so linkshändig behandelt worden ist: ganze zwanzig Zeilen in „europe´s leading dance magazine“ – und keine einzige bei der Münchner Konkurrenz (aus Befangenheit? Weil eine der beiden Kuratorinnen dort als Redaktionsmitglied fungiert?). Ich finde das beschämend – auch für mich selbst, da es mir trotz mehrfacher Angebote nicht gelungen ist, einen Bericht in der „Stuttgarter Zeitung“ unterzubringen. Nachgerade nimmt das Desinteresse am Tanz in unseren Zeitungen geradezu beängstigende Ausmaße an.

Dass aber auch das Publikumsinteresse – offenbar auch an den meisten der zahlreichen Rahmenveranstaltungen – so dürftig ausgefallen ist, finde ich alarmierend. Und ein weiteres Zeichen dafür, in welch einer Krise der Tanz in Berlin sich heutzutage befindet. Darüber lamentieren wir ja nun bereits ein paar Jahre, immer beschwichtigend meinend, dass da ja nun wohl der Tiefpunkt erreicht sei, dass es schlimmer nicht mehr kommen könne. Tatsächlich geht es immer noch weiter bergab, so dass das Publikum nachgerade zu resignieren scheint. Ich darf gar nicht daran denken, in welch einer Euphorie wir alle, die Tanzmacher und wir als Publikum in den fünfziger, sechziger, ja auch noch in den siebziger und teilweise sogar noch darüber hinaus lebten, wie eminent wichtig, ja essentiell uns alles erschien, was mit dem Tanz zusammenhing.

Und heute? Konstatiere ich in Berlin nur noch das große Gähnen! Traurig, traurig! Und ich stelle mir vor, wie traurig diese Bilanz für Dirk Scheper ausfällt, der – zusammen mit Nele Hertling – so viel an Idealismus und Enthusiasmus in den Tanz in Berlin investiert hat, der diese Ausstellung quasi als sein Abschiedsgeschenk an Berlin konzipiert und organisiert hat, und der nun als Beamter zwangsruhegestellt wurde (was nichts mit der Ausstellung zu tun hat). Und ich frage mich, wie denn diese Bilanz ausgefallen wäre, wenn die Ausstellung nicht in Berlin, sondern – sagen wir in Stuttgart stattgefunden hätte, oder im Rhein-Ruhegebiet, sagen wir in Essen? Und ob es nicht möglich wäre, sie zumindest teilweise auf Tournee zu schicken, sagen wir nach Stuttgart oder Essen?

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