Zwei neue DVDs: „José Limon - Three Modern Dance Classics“ und „Aeros - The Stage Show“

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Stuttgart, 28/07/2003

Der DVD „José Limón – Three Modern Dance Classics“ liegt gerade noch ein doppelseitiges DIN A5-Blatt bei, dessen eine Seite fünf Performance-Fotos bietet und die andere lediglich die Chapter Selections der drei ausgewählten Werke: „The Moor‘s Pavane“, „The Traitor“ und „The Emperor Jones“. Keinerlei biografische Angaben über die Tänzer und ihre Rollen. Dabei handelt es sich um drei kanadische Fernsehproduktionen in schwarz-weiß aus der Mitte der Fünfziger Jahre, abfotografiert ohne jeglichen filmischen Ehrgeiz.

Die Konzentration ist in dem Othello-Quartett (zu Musik vom Henry Purcell) ganz auf die vier Solisten gerichtet: Limón als Othello, Betty Jones als Desdemona, Lucas Hoving als Jago und Pauline Koner als Emilia. Die beiden anderen Werke sind ohnehin reine Männerstücke, basierend auf den dramatischen Persönlichkeitskontrasten von Limón und Hoving: „The Traitor“ (zu Musik von Gunther Schuller über den Konflikt Judas Ischariot – Christus) und „The Emperor Jones“ nach dem Drama von Eugen O‘Neill (zu einer Auftragsmusik von Heitor Villa-Lobos) mit dem Titelhelden als Flüchtling einer Sklaven-Chaingang, der sich zum Diktator eines Inselstaates aufwirft und von den Schatten seiner Untaten verfolgt wird.

Das sind also wirklich drei Klassiker aus den Höhepunktjahren des amerikanischen Modern Dance. Hochdramatisch auf den Punkt ihrer jeweiligen Konfliktsituation gebracht, knapp, geradezu lakonisch, sehr viril, holzschnittartig in der Kontur – ein mit Brisanz aufgeladener, ganz formkonzentrierter Expressionismus, modelliert und choreografiert aus der Charakterstruktur der beteiligten Tänzer. (A Canadian Broadcasting Corporation Production, 1955/57 – VAI DVD 4224, 65´).

Etwas ganz anderes, ein Crossover-Produkt, wie wir es eher vom Eistanz oder den Formationstänzen der Turniere gewöhnt sind, bietet die DVD „Aeros – The Stage Show“ – nämlich eine Kollaboration dreier führender amerikanischen Choreografen, Daniel Ezralow, David Parsons und Moses Pendleton, mit Athleten der Romanian Gymnastics Federation. Mit anderen Worten: ein Bündnis zwischen Choreografen und rumänischen Turnern, die bekanntlich zur Weltelite gehören.

Die absolvieren zunächst ein gut einstündiges Programm kurzer Szenen, betitelt beispielweise Stretch, Table, Machine, Flick-Flack, Tramps, Flower, Mushroom und Ropes – abgespult in durchweg rasantem Tempo, arrangiert und fotografiert von cleveren Broadway-Spezis, kontrastreich, mit zahlreichen humoristischen Pointen. Was wir sonst als Solodarbietungen bei Sportwettkämpfen zu sehen bekommen, hier nun als Gruppenchoreografien mit fantastischem Timing ausgeführt. Dass Turnen so schön sein kann!

Danach gibt‘s dann noch eine knapp einstündige Dokumentation der Arbeit an diesem Programm, und die ist im Grunde noch faszinierender, in der die Choreografen und die Gymnasten über ihre Erfahrungen berichten, und wie sich ihre Erlebnishorizonte bei dieser Arbeit verändert haben. Erarbeitet wurde die Show an amerikanischen Universitäten – eine völlig neue Perspektive für die Rumänen. Die Premiere fand dann in Los Angeles statt. Kein Ballett also und auch kein Tanztheater, sondern clever und durchaus professionell choreografiertes Tanzturnen – oder sollte man das Ganze besser als Turntanz definieren? (A CAMI Spectrum Production in association with RM Associates, 2001 – Arthaus Music, Digital Surround dts 100358, 122´)

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