Dame Alicia

Ein persönliches Gedenkblatt zum Tod von Alicia Markova

oe
Stuttgart, 03/12/2004

Nein, so alt bin ich denn doch nicht, dass ich Tamara Karsavina noch auf der Bühne erlebt hätte (bei zwei oder drei Empfängen später dann aber doch noch), Dame Alicia in den frühen Jahren von London‘s Festival Ballet allerdings noch mehrfach in meinem „Lieblings“-Ballett „Les Sylphides“ – und gelegentlich bei irgendwelchen gesellschaftlichen Ereignissen in London, Edinburgh und New York. Inzwischen gibt es eine Reihe von Tänzerinnen, die zur Dame of the Order of the British Empire geadelt worden sind – aber nur eine, wenn ich richtig orientiert bin, Dame Alicia. Von all diesen „Dames“ war Lillian Alicia Marks jedenfalls die damenhafteste – damenhafter auch als ich Dame Margot in Erinnerung habe (womit ich Fonteyn keineswegs hierarchisch herabstufen will, aber sie war entschieden lockerer, spontaner).

Vielleicht hatte Markova für mich auch deshalb immer etwas Abstand-Wahrendes, Ehrfurcht-Gebietendes an sich, weil ich mir bewusst war, dass sie als Vierzehnjährige von Diaghilew für die Titelrolle in der Uraufführung von Strawinskys „Chant du rossignol“ engagiert worden war, das war 1925, und dass dies die erste westliche Choreografie des gerade 21jährigen Balanchine war. Weltweit bekannt wurde sie dann vor allem als langjährige Partnerin von Anton Dolin (dessen hundertsten Geburtstag im Juli dieses Jahres sogar die Engländer, beschäftigt mit dem Centenar-Gedenken an Ashton und Balanchine, schmählich ignoriert zu haben scheinen). Wenn ich an sie denke, sehe ich sie als eine hochgewachsene Dame, in perfekter Ballerinen-Haltung vor mir – eine Madame Pompadour des Balletts mit ihrem Haarkranz als Signatur ihres immer freundlichen Gesichts. Schade, dass Joshua Reynolds zweihundert Jahre zu früh gelebt hat: er wäre der ideale Porträtist Dame Alicias gewesen!

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