Die Dänen starten ihre große Charme-Offensive

Zur Eröffnung des 3. Bournonville-Festivals

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Kopenhagen, 03/06/2005

Wie denn das? 25 Jahre sollen vergangen sein, seit wir exakt dieses beglückende Well-Feeling an genau diesem Ort verabreicht bekamen? Seit jener ersten großen Bournonville-Retrospektive, anno 1979? Und doch ist es so, als sei es gestern gewesen – genau diese gleichen Rituale: von der zeremoniellen Begrüßung der Königin in ihrer Loge bis zu den Schlussvorhängen, wenn die Tänzer zuerst artig ihren Diener in Richtung Königsloge absolvieren. Genau so war es die zweieinhalb Stunden dazwischen, und bewirkt hatte es dieser wundersame August Bournonville, den die Dänen lieben wie sonst nur ihren Hans Christian Andersen. Beide feiern sie in diesen Tagen und Wochen. Weil beide große Jahrhundertgeburtstage haben – ihren zweihundertsten nämlich. Und so scheint an diesem Eröffnungsabend fast die ganze Kritiker-Mafia aus der halben Welt in Kopenhagen vereint.

Da ist es wieder, dieses einzigartige Glücksgefühl, das von der Bühne auf die Zuschauer überschwappt und alle in seinen Strudel reißt. Und diese neue, junge Tänzergeneration wirkt so frisch, so ansteckend gut gelaunt und wie aus dem Ei gepellt, wie die gestrige und die vorgestrige – und offenbar alle die Generationen seit Bournonvilles Tagen gewirkt haben. Und Frank Andersen ist als Bournonvilles Treuhänder der große Magier-Guru, dem es gelingt, das Wunder Bournonville an jedem Vorstellungsabend neu zu beschwören.

An diesem ersten von acht Abenden also mit den beiden Klassikern „La Ventana“ und „Kirmes in Brügge“. Und so geht es auf dieser Reise um die Welt zuerst nach Spanien und dann nach Flandern – und verblüfft entdecken wir Bournonville als einen Vorfahren von Pina Bausch, der sich seine Inspirationen schon um die Mitte des 19. Jahrhunderts rund um den Globus aus den exotischsten Ländern und Gegenden geholt hat – um sie seinem gutbürgerlichen Publikum allerdings mit sehr viel mehr Charme, Witz und Humor zu präsentieren als unsere große Dame aus Wuppertal! Und so stürzen sich die Tänzer auch in dieser 386. Vorstellung dieser Genre-Bijouterie mit dem Liebeswerben eines Senors um seine schöne Senorita und dem berühmten Spiegeltanz mit Karacho in diese Bournonville-Klassik à la Espagnol und versprühen ihren Elan vital aus allen Fuß- und Fingerspitzen (und aus ihren Augenwinkeln obendrein), dass einem ganz warm ums Herz wird.

Danach heißt es dann also: auf nach Flandern, ins mittelalterliche Brügge, dem Korngold seine „Tote Stadt“ gewidmet hat. Aber Bournonvilles Brügge ist eine einzige Huldigung an das Leben, an den Frohsinn und den listenreichen Übermut der Jugend: Drei Brüder, die sich ihre Liebsten erobern und zu allerlei Abenteuern aufbrechen und dabei in Todesgefahr geraten und schon auf dem Scheiterhaufen stehen, als sie Bruder Carelis mit seiner Wunderfidel, die alle zum Tanzen zwingt, gerade noch im letzten Augenblick vor dem Feuer errettet.

Dies ist die 323. Vorstellung dieses pausbäckigen Klassikers aus dem Brueghel-Land – so frisch renoviert und noch nach nicht ganz getrockneter Farbe duftend serviert vom neuen Kopenhagener Vize, Lloyd Riggins aus Hamburg, der hier seine Visitenkarte als Co-Producer abgeliefert und die Tänzer sichtlich so animiert hat, dass die ihr Wellness-Gefühl mit potenzierter Lust ins Publikum baggern. Und Fidelbube Carelis alias Kristoffer Sakrai tut das mit so unwiderstehlichem Gusto, dass ihn Frank Andersen am Schluss der Vorstellung, geradezu enthusiastisch vom Publikum akklamiert, zum Principal Dancer befördert. Dann also Tschüss bis morgen zu unserem Wiedertreffen aus und mit „Napoli“!

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