Ein Hilferuf vom Rio Ebro

Denkpausen-Signale aus dem Alpenvorland

oe
Stuttgart, 26/03/2005

Keine frohen Osterbotschaften aus Spanien und Österreich! Eine Todesmeldung gar aus Saragossa, überschrieben „Death of the Ballet of Zaragoza“, mit der Mitteilung, dass der Bürgermeister der Hauptstadt von Aragon beschlossen habe, das Ballet de Zaragoza zum 30. Juni 2005 aufzulösen. Höchster Alarm bei Patsy Kuppe-Matt, Directora Artistica der 1982 gegründeten Kompanie seit 1999, und ihren Mitarbeitern. Dabei hatte sie bei ihrem vorletzten Besuch in Stuttgart – sie ist die Tochter von Traudl Kuppe-Löw, bis zum letzten Jahr Leiterin ihrer privaten Ballettschule in der Schwabenmetropole – noch über ein Gastspiel ihrer Achtzehn-Tänzer-Truppe im Theaterhaus am Pragsattel verhandelt. Daraus wird nun also wohl nichts mehr werden.

Schade, denn was sie von ihrer Arbeit in der alten Kathedralstadt am Ebro erzählte, klang durchaus verheißungsvoll. Sie kam 1992 als Ballettmeisterin nach Saragossa und hat tatkräftig am Aufbau der Kompanie mitgewirkt, deren Repertoire, basierend auf einem kleinen, aber feinen Klassikerfundament, neben ihren eigenen Beiträgen auch Arbeiten etwa von Balanchine, Cranko, Scholz, Forsythe, Kylián und Duato umfasst und darüber hinaus Kreationen etwa von Davide Bombana, Derek Deane, Robert North und Olaf Schmidt. Nicht ohne Verblüffung entdeckte ich beim Durchblättern ihrer Programmhefte, dass auch Patrice Montagnon dort vertreten ist – bekanntlich einer der ersten Junioren-Choreografen der Stuttgarter Noverre-Matineen – inzwischen in Saragossa ansässig. Was also tun? Sie ersucht dringend um Solidaritätsbekundungen der Kollegen – die es ja zu Dutzenden geben muss, da sie nach ihren Studien u. a. bei Rosella Hightower, Marika Besobrasova und David Howard bei vielen Kompanien engagiert war. Und empfiehlt, E-Mails und Faxe ans Rathaus zu adressieren: sugerencias@ayto-zaragoza.es – beziehungsweise Fax:. 0034-976-390367 oder 976-298097.

Nicht weniger Alarmierendes verlautet aus St. Pölten in Niederösterreich, das sich 2002 mit der Gründung der dem neuen Festspielhaus assoziierten abcdancecompany eine eigene modern ausgerichtete Tanzkompanie leistete, die sich unter der Leitung ihres Chefchoreografen Nicolas Musin rasch einen respektablen Ruf als Österreichs bestes zeitgenössisches Tanzensemble erwarb. Dessen zunächst auf drei Jahre befristete Verträge laufen mit Ende der Spielzeit 2004/05 aus – an eine automatische Verlängerung ist nicht gedacht. Stattdessen hat sich die Intendanz (Prof. Michael Birkmeyer und sein Festspielhaus-Team) eine Denkpause verordnet, in der über die Möglichkeiten einer Neustrukturierung der Kompanie nachgedacht werden soll. Dabei spielen künstlerische Überlegungen offenbar kaum eine Rolle, vielmehr geht es um eine Analyse und Evaluierung der bisherigen Erfahrungen im Lichte der zu geringen Publikumsresonanz und der nicht ausreichenden Zahl von Vorstellungsterminen (im Jahr 2003 lediglich 32, 2004 sogar nur noch 20). Es gilt also „eine effizientere Struktur für die Kompanie zu finden“ – doch wie die aussehen könnte, weiß derzeit noch niemand zu sagen. Jedenfalls wird es in der Saison 2005/06 keine abcd-Eigenproduktionen geben. Stattdessen wird man wohl vermehrt Kompanien zu Gastspielen im Rahmen der Abonnementsreihen des Festspielhauses einladen (wie es ja auch in Salzburg zusätzlich zu den Eigenproduktionen des Balletts am Landestheater der Fall ist). Wonach der Traum von einem ÖDT – nach dem Vorbild des NDT – wohl erst einmal wieder in eine unbestimmte Zukunft entrückt ist!

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