Guter Kreativer Kindertanz – Immer ein Glücksfall!

Kreativer Kindertanz. Grundlagen – Methodik – Ziele. Mit Beispiel einer Unterrichtsstunde

Köln, 25/05/2005

Die Ergebnisse der Pisa-Studien und besorgniserregende Meldungen über körperliche Mängel von Kindern und Jugendlichen haben das Interesse am Kindertanz sicher verstärkt. Die große Aufmerksamkeit, die Projekte wie „Tanz in Schulen“ in NRW oder die „Education-Tanzprojekte“ der Berliner Philharmoniker mit dem Choreografen und Tanzpädagogen Royston Maldoom hervorrufen, belegen dies. Der Zustimmung folgt aber oft die Frage: „Kindertanz ja, aber wie?“ Nach der Veröffentlichung des Ratgebers „Let´s Go Wellness“, eines Ballettromans („Ist denn nicht zufällig Sonntag?“) und eines Erzählbandes („Aida in Bahrendorf“) versucht die Choreografin und Tanzpädagogin Judith Frege mit ihrem neusten Buch „Kreativer Kindertanz. Grundlagen – Methodik – Ziele. Mit Beispiel einer Unterrichtsstunde“ diese Frage zu beantworten.

Die Autorin wendet sich mit ihrem Buch an „Tanzpädagogen und Pädagoginnen, Erzieher und Erzieherinnen, Grundschullehrer und Lehrerinnen sowie an Eltern“, denen sie „eine ausführliche Erläuterung der Methodik und Theorie des Kreativen Kindertanzes“ vorstellen will. Dies gelingt nur unbefriedigend, da die theoretischen Ausführungen zu knapp, unvollständig und unstrukturiert ausfallen.

Der Schwerpunkt des Buches liegt eindeutig auf dem praxisorientierten Teil. In einer Art Baukastenprinzip bietet Frege Technikübungen für verschiedene Partien des Körpers, zur „Koordination“, zu „Drehungen“ und „Balance“, zum „Ventil“ und „Raumgefühl – Raumrichtungen“ sowie zu „Partnerarbeit und soziales Verhalten“ und „Rhythmische Schulung“. Improvisationsaufgaben werden zu den Schwerpunkten „Enge – Weite“, „Spannung – Entspannung“, „Tempowechsel“ und „Staccato – Legato“ angeboten. Alle Übungen sind durch sogenannte „Motive“, also bildliche Vorstellungen motiviert.

Die technischen Übungen werden teilweise rhythmisiert dargestellt. Daran anschließend führt die Autorin exemplarisch eine Unterrichtsstunde zum Schwerpunkt „Enge –Weite“ auf, um zu zeigen, in welcher Weise die Übungen aus dem vorhergehenden Teil zu einer Stunde zusammengestellt werden können. Am Ende des Buches werden zudem anatomische Voraussetzungen von Kindern erläutert und „Praktische Ratschläge für den Unterricht“ genannt.

Positiv ist hervorzuheben, dass Frege zu den unterschiedlichen Bereichen eine Vielzahl von Übungen anbietet. Doch sind ihre Beschreibungen manchmal verwirrend und nicht aussagekräftig für die Bewegungsvorstellung. Die Rhythmisierungen sind teilweise ungenau und in der Taktauswahl beliebig. Auch die Ausgangspositionen können nicht immer deutlich gemacht werden. Die zahlreichen Abbildungen bieten überdies wenig Hilfe, da nicht alle der im Text verwendeten Grundpositionen bildlich wiedergegeben werden (z. B. Grätschsitz, Langsitz). Darüber hinaus irritiert, dass die Kinder auf vielen Fotos mit Kleingeräten wie Seilen und Tüchern agieren, ohne dass solche Geräte in den Übungen erscheinen.

Die Auswahl der technischen Bereiche ist nicht durchgehend nachvollziehbar. Warum gibt es gesonderte Übungen zur „Koordination“, wenn doch in vielen anderen Bereichen vor allem koordinative Fähigkeiten gefördert werden (z.B. bei Drehungen und Balancen, aber auch in den feinmotorischen Übungen). Dagegen wird die Schulung von Sprüngen, die wesentliche Elemente des Tanzes sind, vernachlässigt.

Freges Anliegen ist es, „körperliche Fitness und improvisatorisches Gestalten zu fördern“. An anderer Stelle unterstreicht sie durch besondere Hervorhebung: „Eine der wichtigsten Aufgaben im Kreativen Kindertanz ist die Förderung kreativer Eigeninitiative“. Betrachtet man aber ihre Beispielstunde, so muss man feststellen, dass sie diesem Credo nicht entspricht: Von 22 Übungen in der Unterrichtsstunde dienen vier (mit „Einstimmung“) der freien Gestaltung. Zudem ist es fragwürdig (auch bei Halbierung der technischen Übungen), ob und wie Kinder im Alter von fünf bis sieben Jahren einen solchen Umfang an Aufgaben in einer Stunde absolvieren können. Der große Anteil an Bodenübungen ist ebenfalls problematisch. Mit dieser Art der Auswahl und Zusammenstellung der Übungen wird den Kindern nicht entsprochen und ist den Zielsetzungen des Kreativen Kindertanzes nicht gedient.

Betrachtet man das Inhaltsverzeichnis, so wird deutlich, dass Judith Frege während ihres Tanzpädagogikstudiums an der Hochschule für Musik in Köln „bei der renommierten Pädagogin Gisela Peters-Rohse Kreativen Kindertanz“ studiert hat, wie sie im Vorwort anmerkt.

Die Anleihen bei Peters-Rohse, die seit mehr als drei Jahrzehnten ihre Erfahrungen, Erkenntnisse und Entwicklungen in der tänzerischen Arbeit mit Kindern an Studenten und Tanzpädagogen weitergibt, werden im Buch durchgängig sichtbar. Beispielhaft seien hier der Aufbau der Kindertanzstunden in „1. Einstimmung, 2. Technik, 3. Bewegungsentwicklung, 4. Improvisatorische Gestaltung“ genannt, die Funktion und Gestaltung von „Ventilen“ im Unterricht sowie die Auswahl der Stundenschwerpunkte und ein Großteil der „Motive“ für die Technik- und Improvisationsaufgaben. Darüber hinaus sind immer wieder die vielen Tipps, Hinweise und Erkenntnisse deutlich zu erkennen, die Gisela Peters-Rohse in ihren Seminaren und Veröffentlichungen eindrucksvoll vermittelt (vgl. dazu insbesondere das Kapitel „Praktische Ratschläge für den Unterricht“).

Verblüffender Weise betont Frege die besondere Bedeutung Isadora Duncans, Mary Wigmans und Rudolf von Labans für den Kindertanz – wobei kritisch nachgefragt werden muss, worin die besonderen Verdienste einer Mary Wigman für den Kindertanz (!) liegen und ob wirklich Isadora und nicht eher ihre Schwester Elizabeth Duncan für die Kindertanzpädagogik von Bedeutung war. Allerdings macht die Autorin nicht deutlich, dass alle wesentlichen Aspekte der theoretischen und praxisorientierten Darstellungen in diesem Buch auf der Arbeit Peters-Rohses basieren.

Judith Frege nimmt mit dem vorliegenden Buch zwar grundlegende Aspekte der Arbeit Peters-Rohses auf, gibt diese aber nur unzureichend und lückenhaft wieder. Ein Glücksfall ist es daher, dass Gisela Peters-Rohse weiterhin selbst ihre hochgeschätzten und wegweisenden Entwicklungen in der Kindertanzpädagogik im In- und Ausland lehrt.

Judith Frege: Kreativer Kindertanz. Grundlagen – Methodik – Ziele. Mit Beispiel einer Unterrichtsstunde. Henschel Verlag, Berlin 2005, 152 Seiten, 14,90 EUR

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