Mehr Leonardo di Caprio als Charlie Chaplin

Peter Quanz: „Charlies Kreuzfahrt“

oe
Chemnitz, 12/03/2005

Na da waren wir aber gespannt! Peter Quanz aus Kanada, noch nicht mal fünfundzwanzig, sozusagen Peter Dampf aus allen Ballettgassen der Welt, bereits international bekannt durch seine Lehrlingsarbeiten bei allen möglichen Workshops in Stuttgart, auch schon in Amerika, mit „Charlies Kreuzfahrt“, seinem ersten Abendfüller, Musik von Cole Porter, beim Ballett Chemnitz – und ein rauschender Publikumserfolg.

Charlie meint Charlie Chaplin – und an dem haben sich schon alle möglichen Choreografen die Zähne ausgebissen: Krisztina Horváth beispielsweise, aber auch Maurice Béjart, Roland Petit und zuletzt wohl Peter Breuer – immer mit dem gleichen Resultat: Der richtige Charlie war halt so viel amüsanter und trauriger und jedenfalls so viel anrührender (und auch tänzerisch einfallsreicher) als alle seine Klone. Und das gilt auch für Peter Quanzens Charlie als Zentralfigur einer Party vor imposanter Luxusyacht-Kulisse von Thomas Pekny (der auch die sommerlich luftigen Kostüme entworfen hat).

Vielleicht hat sich ja unser Peter aus Ontario zu viel vorgenommen: ein Plot wie eine Mixtur aus Cole-Porter-Musicals (hübsch konzertant arrangiert von Tadeusz Biernacki und von der Robert-Schumann-Philharmonie Chemnitz unter der Leitung von Thomas-Michael Gribow richtig ohrwurmträchtig realisiert), aus Scott-Fitzgerald-Gatsby-Personnage, einem Schuss Dorothy-Parker-Sophistication samt einem mörderischen Mystery Play von Agatha Christie. Dazu eine Choreografie, klassisch (sehr klassisch, sehr musikalisch) grundiert und ein bisschen Charleston-verkickt, die die vielen Charaktere nicht sonderlich fokussiert, so dass man eine ganze Weile braucht, um dahinter zu kommen, wer denn wer ist, alle leicht gaga und überkandidelt – eine spritzige Unterhaltungsshow, gut gelaunt, aber ohne sonderlichen Musical-Pfiff (und da dann doch, bei aller Balanchine-Orientierung, entschieden hinter „On Your Toes“ zurückbleibend, nicht zu reden von den Musicalproduktionen unserer Profi-Ensembles und den Shows im Berliner Friedrichstadtpalast).

Nein, es fehlt diesem Luxus-Cruiser entschieden an Biss – ganz zu schweigen von jeglichem Chaplin-Flair. Das liegt meines Erachtens auch an der Fehlbesetzung der Titelrolle. Marko Bullack ist zwar ein attraktiver, auch charmanter Tänzer, aber für Charlie ist er viel zu elegant (und auch zu groß) – ein smarter Lover, der aus Charlie einen Wunschtraum-Leonardo-di-Caprio macht. Mario Perricone – Gott hab ihn selig – wäre vor fünfzehn Jahren eine Idealbesetzung gewesen (und noch früher Erwin Bredow an der damals noch Städtischen Oper Berlin). Um Bullack herum eine gut gelaunte, ihre Partien mit geradezu heißhungrigem Engagement über die Bretter jagende Tänzer-Equipe mit Michael Rissmann, Marlène Zimmlinghaus, Annamaria Gombos, Erin Kavanagh und Albert Miller an der Spitze. Es hat ihnen sichtlich Spaß gemacht und sie haben alle Ehre eingelegt für Thorsten Händlers gut bestückte, stattliche Truppe. Und unser Jungmann aus Ontario? Toll begabt, erzmusikalisch und ein gediegener Handwerker. Aber einen kommenden Matthew Bourne kann ich nicht in ihm sehen. Eher schon einen anderen, jüngeren Christopher Wheeldon (und über den wären wir ja auch schon heilfroh!).

 

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