Asiatica von „down under“

Start der Europa-Tournee des australischen Queensland Ballet

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Remscheid, 10/01/2006

Nun schickt sich auch Australien, der Fünfte Kontinent, an, im internationalen Ballett-Business kräftig mitzumischen! Gerade hat uns erst Graeme Murphy, Chef der Sydney Dance Company, in München als „Silberkavalier“ beglückt, haben die Aussies jetzt das Queensland Ballet auf seine erste Europa-Tournee geschickt. 1960 gegründet, ist die 17-Tänzer-Kompanie in Brisbane ansässig, der Hauptstadt des Staates Queensland und dem Vernehmen nach die am schnellsten wachsende Stadt Australiens. Sie fungiert dort als Staatsballett (wie das Bayerische Staatsballett in München), mit zahlreichen Gastspielen im ganzen Land.

Seit 1997 wirkt dort als Leiter und Chefchoreograf François Klaus, bei uns bekannt geworden als langjähriger Erster Solist in John Neumeiers Hamburger Ballett, dem es nach Beendigung seiner Tänzerkarriere, mit einer kurzen Zwischenstation in Bern, nach „down under“ verschlagen hat, wo ihm bescheinigt wird, der Kompanie zu einem beträchtlichen Reputationsmehrwert verholfen zu haben. Der kommt nicht von ungefähr, wie sich jetzt in Remscheid, der ersten Station des Queensland Ballet herausgestellt hat. Es ist eine junge Kompanie, voller Tatendrang, picobello anzusehen, solide klassisch geschult, die mit Elan ihre Ballette über die Rampe katapultiert – mitten ins Herz des Publikums.

In Remscheid präsentierte sie einen bunten Mix aus klassisch-abendländischer Tanztradition – ein sehr konventioneller Pas de deux „Divergence“ von Klaus und eine streng geometrische Bach-Studie „Back to Bach“, ebenfalls von Klaus, sowie ein romantisch schwülstiges, todessüchtiges Poem von Natalie Weir, auch sie eine Australierin; inspiriert von Böcklin/Rachmaninows „Toteninsel“ – dies sozusagen als nostalgische Verbeugung und Bekräftigung der australischen Commonwealth-Verbindung mit dem englischen Mutterland. Wesentlich interessanter waren zwei große Gruppenchoreografien von Klaus: „Rhythms of Taiko“, mit Hochspannung aufgeladen und voran gepeitscht von zwei Schlagzeugern an einer riesigen japanischen Trommel – inspiriert offenbar von japanischen Kampftechniken. Und ein „Concerto for Didgeridoo“, das Rituale und Träume der Aborigines in einen Rahmen der Evokation der vier Elemente verspannt und in einer Art Schöpfungsakt der Welt bündelt: eine Kulthandlung von ausgesprochen exotischem Reiz und einer fremdartigen Schönheit.

Im Programmheft heißt es, dass auch Neumeier, Forsythe, Thoss und Bombana sowie andere europäische Choreografen Arbeiten dem Queensland Ballet überlassen haben. Das Problem scheint jedoch zu sein, dass Klaus – aus welchen (wahrscheinlich nicht zuletzt finanziellen) Gründen auch immer – so viel selbst beisteuert. Er ist ein versierter Handwerker, ein Man of all Trades, mit einem reichen Erfahrungsschatz, der Modelle des choreografischen Versandhandels für jede Art von Musik bereithält. Am wenigsten ist das noch bei seinen Ostasiatica der Fall – und gerade hier gelingt ihm weitgehend eine überzeugende Synthese aus abendländischer traditionalistischer Überlieferung und der Adaption fernöstlicher ethnischer kultischer Formen. Von den famosen Tänzern aus Brisbane über die Bretter gejagt, zeichnet sich hier am ehesten ein allmählich herauskristallisierendes eigenes Image ab, das zu kultivieren sich lohnen dürfte.

Und schon steht uns ein weiterer Abendfüller eines australischen Choreografen bevor: Terence Kohler, 21-jähriger Senkrechtstarter bei Birgit Keil in Karlsruhe, der für Mai daselbst die Kreation seiner „Anna Karenina“ ankündigt. Das könnte als grenzüberschreitende Vernetzung so unterschiedlicher Kulturen wie Russland, Australien und Baden interessant werden! Link: www.queenslandballet.com.au

 

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