Viel hatten sich die Absolventen des Studiengangs Choreografie an der Schauspielschule „Ernst Busch“ vorgenommen. Für ihr Diplom nach vierjähriger Ausbildung gestalteten sie eine dramaturgisch verwobene Gemeinschaftsinszenierung im Dock 11. Unter der Klammer „Schein“ entdeckte das Quartett im Komplex an der Kastanienallee ungewöhnliche Spielorte für die direkte, hintergründige oder gleichnishafte, verschieden gewichtige Beschäftigung mit dem Thema.
Verbale Spitzfindigkeiten um das Wort Schein hallen über den Hof, Akteure in T-Shirts mit Begriffen wie Tod, Sonnen, Kerzen, Kranken, Heiligen, Mond, Werfer winken vom Podest. Zum showhaften Finale zeigen sie ihren Rücken: Schein komplettiert da die Brustworte. Mit vier kleinen Szenen um „schein/sein“ verbindet Tina Weiler die drei großen Beiträge. Einer schilfdrapierten Wanne im Hof entsteigt ein Mädchen, landet kopfüber im Butterfass. Als sie entwischt, tauchen ihre geschäftigen Ankleider in den Bottich. Witz hat der zweite Teil: Hinter Glas würzt der Koch sein Opfer, ehe er es häckselt und als Fertigmenu präsentiert. In Bild vier wird eine Frau angerempelt, ausgestoßen, ihre Geborgenheit als Schein entlarvt.
Zu viel tänzerischen Stillstand offeriert auch Michael Jagusch in „reise/n“. Fünf Reisende werden an der Grenze gefilzt, finden sich zu seufzenden Vokalisen vor Dias fremder Orte wieder, fuchteln mit Besen wie in asiatischer Folklore. Als ein Mann ausschert, seinen Körper, Hand neben Fuß, verknotet, geht die Chance zu einem intensiven Solo vorüber. In einer Ballung endet eine Scheinreise, der es an Raumchoreografie, Tempo, Zuspitzung mangelt.
Von leichter Überlänge sind auch die zwei filmischen Beiträge. In „Wünsch dir was …“, literarisch inspiriert, setzt Sandra Peuthert eine junge Frau fantasiereich und surreal in morbid zerbröselnder Fabrikarchitektur geheimen Hoffnungen aus. Ihrem Koffer entquellen Wäscheklammern, die sich zur Frisur türmen. Ein Traumpartner steckt ihr einen Ring an, trägt sie aufs Bett. Kein Duett folgt – eine vertane Gelegenheit, choreografisches Handwerk zu zeigen. In weiteren Filmschnipseln irrt sie durchs brüchige Gemäuer, macht ihn an, wird bedrängt, entzieht sich, umturnt einen Spültisch, drapiert sich im Pelzmantel zum Monster, verschmilzt kurz mit der Vision. Der Ring wird zur forthupfenden Kröte, der kein Prinz entwächst.
Am klarsten formuliert Stefanie Schröder ihr Anliegen. In beklemmenden Einstellungen und aus differenzierten Blickwinkeln beobachtet die Kamera eine Frau beim wütenden Versuch, ihren Bretterverschlag zu sprengen. Enge und Gezwängtsein macht „Zierfische“ in eindringlichen Großaufnahmen erfahrbar. Trug bleibt die sanfte Musik, Schein die Befreiung.
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