Eine halbnackte Frau tastet sich ins Dunkel der Bühne. Lichtkreise pulsieren auf ihrem Gesicht, werden zu Sprechblasen aus Licht und steigen aus ihrem Mund nach oben. Immer stärker blubbern die Blasen, sie werden zu Rauten, überlagern sich, driften nach rechts und nach links. Sie knurrt wie ein Tier, und je lauter sie wird, desto größer und dichter überfluten die Lichtrauten die Bühne.
Es ist eine faszinierende neue Computertechnik, die der New Yorker Medienkünstler Mark Coniglio und seine Tanzkompanie Troika Ranch im Forum Neues Musiktheater, dem elektronischen Experimentierlabor der Staatsoper Stuttgart, vorgestellt haben. Vor einem Jahr hatte William Forsythe hier bereits die akustische Computer-Software gezeigt, mit der seine Tänzer ihre Begleit„musik“ in dem Moment herstellen, in dem sie tanzen.
Bei Coniglio und seinem „Digital Dance Theater“ kommt nun auch noch das Bild dazu, computergenerierte Grafiken und Videobilder, die nicht einfach – wie bisher meist üblich – auf eine Leinwand oder auf die Tänzer projiziert werden, sondern die aus dem Tanz entstehen, durch die Bewegung und die Geräusche der Tänzer. Das Ergebnis sieht aus wie eine Mischung aus Pina Bausch und Lara Croft – traditionelles Tanztheater kombiniert mit raffinierten Computergrafiken.
Im Stück „16 (R)evolutions“ geht es um den Unterschied zwischen Mensch und Tier – wie dümmliche Primaten stehen die vier Tänzer zunächst herum, leicht nach vorne gebeugt und mit hängenden Schultern. Auf der anderen Seite bedeuten hohe Absätze und rasierte Achseln die Zivilisation – die Symbolik des Tanztheaters funktioniert weiterhin, nur löst sie sich hier in surrealen Schattenwesen oder geometrischen Linien auf. Wenn ein Tänzer mit seinem etwas größeren weißen Schatten tanzt, dann scheint er eine Lichtaura zu besitzen; die Computerabbilder der echten Tänzer sehen unwirklich aus wie die Wesen einer Wärmebildkamera oder grob gepixelte Maschinenmenschen. Das überlaut verstärkte Kauen von Cornflakes generiert geometrische Grafiken, Striche schlagen aus wie nervöse Zeiger, ein orangenes Geflecht wogt je nach Lärmpegel über den Tänzern hin und her – faszinierende Bilder, die ihr Erfinder und Programmierer Mark Coniglio mit „eher Mondrian als Klimt“ beschreibt.
Gegenüber der futuristischen Technik wirkt die Choreografie von Dawn Stoppiello allerdings ein bisschen selbstgetöpfert, die Mischung aus Computer-Magie und bodenständigem Tanztheater geht nicht immer auf. Man könnte sich fragen, ob zu neuen Medientechniken nicht auch neue Bewegungen gehören – diesen Ansatz verfolgt zum Beispiel der Londoner Choreograf Wayne McGregor von Random Dance, wenn er mit Videokünstler Ravi Deepres zusammenarbeitet. Deutlich wurde aber auch bei dieser Aufführung, dass die „mediale Performance“ erst am Anfang steht, dass die dafür notwendige Technik sich in den kommenden Jahren noch sehr viel weiter entwickeln wird. Die „16 (R)evolutions“ sind nur ein erstes Spiel mit den sensationellen (und vielleicht auch beängstigenden) Möglichkeiten, die Softwareprogramme wie das von Mark Coniglio dem Tanz und dem Theater eröffnen werden.
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