Defilee der hauseigenen Talente

Das Staatsballett Berlin eröffnete die Spielzeit mit einer Gala

Berlin, 30/09/2007

Im zweiten Jahr schon eröffnet das Staatsballett Berlin seine neue Spielzeit mit einer Gala. Dass Deutschlands größte Kompanie ein festliches Ereignis zum Auftakt bietet und mit dem anschließenden, extra buchbaren Diner den besser Betuchten ans Geld möchte, ist in Zeiten knapper fließender Zuschüsse aus öffentlicher Hand legitim. Der Kampf um Sponsoren macht eben erfinderisch. Hatte Intendant Vladimir Malakhov im Vorjahr noch Gäste aus anderen Ensembles eingeladen, so präsentierte er diesmal ausschließlich die eigene Mannschaft. Alle Ersten Solisten, auch die frisch engagierten, und fast alle Solisten durften sich zeigen - Gala nebenher als Leistungsschau des bisher Erreichten. Dass 10 Euro je Billett dem Education-Programm des Staatsballetts für Kinder und Jugendliche zufließen, erhebt das zweieinhalbstündige Defilee auch zu einer Investition in die künftige Zuschauerklientel.

Verletzungsbedingt fungierte Malakhov, sichtlich traurig, mit Schirmherrin Brigitte Oetker vom Stiftungsrat der Charité, die dem Staatsballett über eine Gesundheitspartnerschaft verbunden ist, „nur“ als Maître de plaisir. Voraussichtlich ab Januar darf er seinen Glanz als Ballerino assoluto wieder verströmen. Der Glanz eines erfolgreichen Leiters umgibt ihn indes schon jetzt. Denn in beiden Tableaux, von denen die solistischen Schmuckstücke gerahmt wurden, bestach „seine“ Gruppe durch Einheitlichkeit und Homogenität bis hin zum Wuchs und zur technischen Schulung. Ist die Polonaise aus John Crankos „Onegin“ ein reines, sehr elegantes Ensemble-Entree, lebt George Balanchines „Ballet imperial“ aus dem Zusammenspiel von Solo und Gruppe. Beendete letztes Jahr der 3. Satz dieser Huldigung ans zaristische Ballett unter Marius Petipa den Abend, so ließ ihn diesmal der 1. Satz ausklingen. Wenn zum Schluss alle Beteiligten aufs Knie gehen, gilt diese Reverence nicht nur Tschaikowskis Musik und dem Tanz schlechthin, sondern auch Shoko Nakamura, der edel, blitzsauber und mit funkelnder Linie bezaubernden Solistin.

Repertoire-Exzerpte, Neueinstudierungen und historische Reminiszenzen boten die Soloteile. Welch exquisit eingespieltes Paar Iana Salenko und Marian Walter sind, bewiesen sie im Grand Pas de deux aus „La Esmeralda“ erneut: von hohem Flug und sicheren Pirouetten er, raffiniert biegsam und mit effektvoller Dreh-Kombination sie. Zu Musik von Schostakowitsch ließ sich Mauro Bigonzetti, Italiens Meister-Choreograf, zu einem Ballett um die Ideenwelt des russischen Malers Kasimir Malewitsch anregen. In einer Bewegungssprache aus Anspringen, Abstürzen, Umhebungen, gegenseitigen Stützmotiven gestaltet der zentrale Pas de deux das Wechselspiel zwischen Mann und Frau. Elena Pris und Neuzugang aus Stuttgart, Mikhail Kaniskin, loteten mit Stil, Zeitempfinden und Können das Gemeinsame über atmosphärische Störungen hinweg bis zur Hingabe aus. Einziges Solo des Abends blieb der bewährte Gopak aus „Taras Bulba“, dem Dinu Tamazlacaru freudestrahlend und mit atemberaubend verwirbelter Sprungtechnik gab, was er verlangt. Über welch präzise Körperplastik, welch raumgreifende Armkultur Beatrice Knop verfügt, das konnte sie, unterstützt von dem maskulinen, weniger filigranen Ibrahim Önal, als Scheherazade im emotionalen Duett mit ihrem Lieblingssklaven demonstrieren.

Unbestrittener Star des Abends war Polina Semionova im Grand Pas de deux aus „Don Quixote“: mühelos in der Technik, lässig im Spiel mit kleinen Verzögerungen, allzeit charmant und ganz Frau. Ihr Bruder Dmitrij Semionov, aus Petersburg über die Zwischenstation Dresden nun ebenfalls Wahlberliner, hat es trotz gutem Fundament noch schwer, neben ihr zu bestehen. Zu den erfreulichen Neueinstudierungen gehört auch ein Bravourstück Balanchines. In seiner lebenssprühenden „Tarantella“, einer Folge fußflinker, fulminant nimmermüder Soli, bestätigten sich Corinne Verdeil und Rainer Krenstetter als potente, persönlichkeitsstarke Solisten. Zu den künstlerisch überzeugendsten Beiträgen gehörte das selbstvergessene Liebesduett aus Angelin Preljocajs „Le Parc“ mit Bettina Thiel und Wieslaw Dudek; in Assaf Messerers elegischer „Melodie“, russische Reminiszenz auch wie Fokins „Scheherazade“, konnte Michael Banzhaf seine Partnerin Nadja Saidakova sylphidenhaft schweben lassen. Auch wenn nicht alle Tricks gelangen - das Staatsballett kann sich sehen lassen. Den musikalischen Stilmix souverän begleitet hat das Orchester der Deutschen Oper unter Paul Connelly.

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