Posieren auf dem roten Teppich

In Magdeburg träumt Gonzalo Galgueras „Aschenbrödel“ vom Film

Magdeburg, 29/05/2007

Alles winkt, als sie in nebliger Bläue auf den verschieden gezackten, wie zwei Parallelblitze verschränkten Treppen nach oben entschwinden: die Gute Fee links, das Aschenbrödel und sein Prinz rechts. Mit Märchenzauber endet, was Gonzalo Galguera als dritte Produktion seiner ersten Magdeburger Spielzeit in die von Juan León entworfene Bühne hineinchoreografiert hat. Märchenhaft geht es in den zweieinhalb Stunden davor eher nicht zu, auch wenn Sergej Prokofjews 1945 in Moskau uraufgeführte Partitur darauf abzielt. An der Elbe kulminiert der Neuklassiker in einer „Großen Filmgala“, so gewaltige Lettern über der Szene, mit Seitenhieben auf die Eitelkeiten des Zelluloid-Gewerbes. Zuvor beleuchtet ein Prolog Aschenbrödels Vergangenheit. Derweil der Vater mit dem kleinen Mädchen entlang der Rampe spaziert, nimmt hinter einer Gaze die sterbende Mutter der Guten Fee das Versprechen ab, für das Kind zu sorgen. Jahre später richtet der Vater jene Filmgala aus, bei der er seine Tochter nicht anwesend wünscht - als Schutz vorm Haifischmetier Film. Die Stiefmutter und die beiden Stieftöchter haben hierfür ganz andere Gründe: Die ungeliebte Schwester soll gefälligst Hausdienst tun und nicht deren Karriereträume teilen.

Das lachende Gesicht der Marilyn Monroe, Aschenbrödels Idol, ziert auf mehreren Hängern den Hintergrund, und auch ihr roter Mund fährt riesig herab. Aschenbrödel selbst ist so gar nicht das übliche Leidensgeschöpf, sondern ein quicker Teenager, der sich über das Meschuggesein der Familie lustig macht. Stiefmutter und ihre zickige Brut tragen gewaltige Lockenperücken mit Blüten darin und stöckeln ungelenk durch die Galavorbereitungen. In ihrem schwarzen Frack ist die Gute Fee immer dann zur Stelle, wenn es Aschenbrödel an den Kragen geht. Fährt der Choreograf hier viel, teils drastische Komik auf, so feiert der Tanz seinen Einstand besonders im Defilee der Jahreszeiten. Der jeweiligen Fee, grün, golden, rot und weiß, und ihren beiden männlichen Begleitern verordnet er ein stupendes Maß an gewagt flinker Sprung- und Drehtechnik. Dass die Herren Glattperücke und Maske tragen (Kostüme Pascale Arndtz), lässt sie sehr künstlich ausschauen. Feinsinnig überreichen die Feen nicht nur Aschenbrödels Galaausstattung, sondern senken auch noch illuminierte Ballkleider herab, die später einzeln auf die Glockenschläge zu Mitternacht verschwinden. Der Choreograf meistert so die delikate Uhranzeige, wenn Aschenbrödels Ballzeit abgelaufen ist.

Auf dem roten Teppich vor den Blitztreppen posiert bei der Gala neben den Stars auch Aschenbrödels aufgedonnerte Sippschaft, diesmal unter Blondhaar. Der Regisseur präsentiert seinen neuen Protagonisten, der sich, von der Frauenwelt heiß umworben, in das Glitzer-Aschenbrödel verlieben und mit ihr einen kniffligen Pas de deux tanzen wird. Den Stiefschwestern, plump wie gefallene Schwäne, umnebelt die Fee mit Sekt die Sinne. Bei den Dreharbeiten im Studio denkt der Protagonist nur an den gefundenen Schuh: Mädchen aller Nationalität werden getestet, ehe er von der Fee den entscheidenden Hinweis auf den Zweitschuh und damit fürs Happyend erhält. Heitere Spielaktion en gros birgt diese Neuerzählung, auch manche zusammengezwungene Situation, etwa die als Filmdreh getarnte Schuhprobe.

Insgesamt fordert sie das Ensemble stark und enthüllt seine Qualitäten. Celia Millán als Titelgestalt und die Fee der Vera Zemlyakova sind rundum superb, Kirill Sofronow als Regisseur und sein Protagonist Edwyn Roig García stehen ihnen kaum nach. Dario Lesnik und Ferdinand Helmut Geier als dreiste respektive naive Stiefschwester en travesti tragen, ob in Pumps oder auf Spitze, mit ihrem Komödiantentum erheblich zum Spaß bei, mit dem der musikalisch nicht immer akkurat begleitete Abend aufgenommen wurde. Er rundet eine Spielzeit, die außerdem mit dem Mozart-“Requiem“ bilderreichen sinfonischen Tanz, mit dem Gothic-Rock-Theater „Keine Schmerzen!“ um das exzellente Duo „Schneewittchen“ aus Niedersachsen ein aufregend dunkeltöniges Spektakel geboten hat. Und neugierig macht auf die Entwicklung des ballett magdeburg in den nächsten Jahren.


Wieder 2., 9.6., Kartentelefon 0391/540 64 44/65 55/63 63

www.theater-magdeburg.de

 

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