Kulturbrücke zwischen den Kontinenten

„move berlim“ präsentiert zum dritten Mal zeitgenössischen Tanz aus Brasilien

Berlin, 06/04/2007

Gegen den vom gewaltigen Amazonas durchflossenen Koloss Brasilien ist Deutschland ein Zwerg. Südamerikas flächenmäßig größtes Land, Schmelztiegel verschiedener Kulturen, ist indes auch zu Zeiten seiner Redemokratisierung ein Staat mit scharfen sozialen Gegensätzen. Seit 2003 präsentiert das von dem Tänzer und Schauspieler Wagner Carvalho initiierte Festival „move berlim“ alle zwei Jahre in Berlin zeitgenössischen Tanz aus Brasilien und macht damit nicht nur auf dessen Vitalität aufmerksam, sondern auch darauf, wie die Tanzbühne diese politischen Spannungen spiegelt. Sieben europäische Erstaufführungen stellt vom 12. bis 22. April die dritte Festivalausgabe, finanziell gefördert von der Kulturstiftung des Bundes und vom brasilianischen Kulturministerium, auf den drei Bühnen des Hebbel am Ufer vor. „Menschenzermürbende Maschine“ zur Eröffnung fragt nach dem Bild und der historischen Rolle des Schwarzen in der brasilianischen Gesellschaft. Tanz, Musik, Theater und persönliche Berichte seiner Ensemblemitglieder bindet der renommierte Autor, Regisseur und Choreograf Luiz de Abreu in seine Montage ein.

„Eine unsichtbare Geschichte“ erzählen mit prägnantem Stil Henrique Rodovalho und seine Gruppe Quasar, auch sie bereits bewährter Berliner Festivalgast. Zwischenmenschliche Beziehungen fächern sich darin feinsinnig und dicht auf. Mit dem Gebrauch gedehnter Zeit, die den Körper scheinbar streckt oder kürzt, beschäftigt sich Mauricio de Oliveira in dem Frauensolo „Tempo Líquido“. In „De-vir“ untersuchen die vier Tänzer der Cia. Dita/Fauller, wie das Medium Körper beschleunigt, erschüttert, verzögert werden kann und ständig zu einem neuen Erscheinungsbild findet. „Andere Formen“ heißt ein Duett von Ângelo Madureira mit der klassischen Tänzerin Ana Catarina Vieira, das Pop-Art, wie sie sich aus den massenhaft reproduzierten medialen Bildern speist, auf den ursprünglichen Ausdruck brasilianischer Populärkultur treffen lässt.

Texte Inhaftierter über das brasilianische Gefängnissystem bildeten den Ausgangspunkt für „Röntgenstrahlen“ der HipHop-Compagnie Membros um Paulo Azevedo und Taís Vieira aus Macaé. Seit den 1980ern wird in dieser Küstenstadt Öl gefördert, was Arbeitssuchende aller Landesteile anzieht, ohne ihnen eine Infrastruktur zu bieten. Wachstum der Favelas und hohe Kriminalität sind die Folgen. Mit „Bordsteinkante“ als Zweitperformance im Freien erhebt Membros den HipHop zum Aufschrei gegen Unterdrückung. Vorträge und Gespräche mit hochrangigen Partnern sowie Workshops vertiefen in der Mitte und zum Ende des Festivals die Themen der Gastspielstücke und informieren zusätzlich über ein Land im Aufbruch.

12.-22.04., Hebbel am Ufer, Infos unter www.moveberlim.de

Kommentare

Noch keine Beiträge