Durch eine Allee von Papp-Kardinälen

Die Europäischen Kulturtage diesmal im Zeichen von Rom

oe
Karlsruhe, 19/04/2008

Rom also lautet das Motto der diesjährigen Europäischen Kulturtage in Karlsruhe, „Ewiges Rom – Lebendiges Rom“ der Titel des Ballettbeitrags. Also präpariert überschreitet man als bildungsbeflissener Mitteleuropäer den Vorplatz des Badischen Staatstheaters und meint aus der Schnauze des Trojanischen Pferdes Didos „Rome … Rome … immortelle“-Wiehern zu vernehmen. Und sofort schweifen die Gedanken zu Tosca, wie sie sich mit „O Scarpia, avanti a Dio“ von der Engelsburg in den Tiber stürzt, oder weiter zurück zu Goethes „Römischen Elegien“ und von da aus in Berlioz‘ „Römischen Karneval“, Respighis „Pini di Roma“ und Fellinis „Dolce vita“. Des Balletts wegen fährt heutzutage allerdings kaum noch jemand nach Rom, es sei denn ein paar Fans, die Renato Zanellas „Peer Gynt“ mit Carla Nazionale und Egon Madsen sehen wollen. Immerhin stellte Karlsruhe mit der Einladung an Zanella ein Ballettverbindungsglied her, der jetzt für die Keil-Kompanie „Ars Amandi“ kreierte, inspiriert durch Ovids „Ars Amatoria“ – allerdings nicht in der hierzulande seinerzeit viel gespielten Version von Orffs „Catulli Carmina“, sondern in der Vertonung von Luigi Nono.

Entsprechend cool ausgenüchtert-enterotisiert gibt sich Zanellas Pas de deux-Folge, die in der Kostümierung von Christof Kremer eher an ein Gladiatoren-Training für „Spartakus“ denken lässt, mit Anaïs Chalendard als legendäre Phrygia und Diego de Paula als künftigem Crassus. „Tutto nel mondo è Roma“ mag sich Terence Kohler à la Falstaff gedacht haben, als er in „Empty Frames“ seine sechs Pas de deux-Paare ihre nächtlichen Amouren in den Tür- und Tornischen römischer Hinterhöfe – ebenfalls zu Luigi-Nono-Sounds – praktizieren ließ – als „Notti di Carlopausa“ sozusagen. Mit einer Lebenden Bild-Skulptur als Prolog, die wie von Emma Hamilton im römischen Salon von Canova modelliert wirkt.

Relativ am römischsten gibt sich an diesem Abend Jörg Mannes mit seinem ebenfalls für Karlsruhe kreierten „Bett der Giulia Farnese“ zu einem kühnen Musik-Mix aus Puccini und Schostakowitsch. Das ist zunächst einmal ein toller Bildeinfall von Sansa Susanne Sommer, die uns auf einem roten Teppich durch eine Allee von Papp-Kardinälen zu dem in der Luft schwebenden Lotterbett des Kardinals Rodrigo Borgia geleitet – wie von De Chirico inspiriert. Und wenn auch nicht recht klar wird, wer denn hier nun als Giulias machtlüsterner Bruder Alessandro und wer als ihr rechtmäßiger Gatte Orsino fungiert, so lassen Blythe Newman als Lolita-geschulte Giulia und der fesche Flavio Salamanka als ihr Latin Lover Rodrigo in ihrer amour fou, die ja tatsächlich von Nabokov hätte erfunden sein können, an wollüstiger Passioniertheit nichts zu wünschen übrig. Wozu ihnen Mannes den hochoktanigen choreografischen Supertreibstoff geliefert hat.

Um so richtig ausgelassene römische Stimmung zu erleben, müssen wir uns in diesem Programm freilich nach Trastevere begeben, in eine der dortigen Tavernen, wo Anaïs Chalendard und Diego de Paulo offenbar als Gäste aus Neapel eine „Tarantella“ hinlegen, die pure Lebensfreude aus allen Poren versprüht, von Altmeister George Balanchine mit musikalischer Assistenz von Louis Moreau Gottschalk und Hershy Kay zu einem tänzerischen Grappa destilliert, der schmeckt, wie wenn New Orleans eine Vorstadt von Rom ist.

 

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