Kölner Funeralien

Ein Trauertanz vom Rhein

oe
Stuttgart, 03/12/2008

„Wie Albert Speer Köln zu neuen Ufern schicken will“ verkündete ein Feuilleton-Aufmacher in der gestrigen Ausgabe der FAZ. Die Rede ist nicht von den in den letzten Monaten so viel diskutierten Kölner Tanz- und Ballettambitionen. Sondern von der „Revolution“ der Stadtplaner. Und darin kommen die Worte Tanz und Ballett mitnichten vor! Dafür erreichen mich heute gleich vier verschiedene Aussendungen der Kölner Städtischen Bühnen, in denen diverse tänzerische Aktivitäten angekündigt werden. Im Opernhaus gibt es auch in diesem Jahr wieder das traditionelle Karnevals-Divertissementchen (allerdings erst ab Ende Januar), diesmal unter dem Titel „Klüngel op joot Kölsch“ – Choreografie: Athol Farmer (immerhin ein alter Kölner Bekannter aus Tanz-Forums-Tagen). Die Kompanie pretty ugly tanz köln von Amanda Miller lädt zu einer einzigen Vorstellung von „Two Pears“ im Schauspielhaus ein und „aufgrund des Erfolgs“ zur viermaligen Wiederholung von „Ratten fangen!“ in die Schlosserei in Köln-Kalk. Ein Extra-Prospekt wirbt für „Tanztage in der Oper Köln“ – die finden dann im Juni nächsten Jahres statt und annoncieren je zwei Vorstellungen des Zürcher Balletts mit Heinz Spoerlis „In den Winden im Nichts“, der Szeged Contermporary Dance Company mit Tamas Juronics „Carmina Burana“ und des Balletts Preljocaj mit dessen „Snow White“. Das macht also, wenn ich mich nicht verzählt habe, keine einzige Dezember-Vorstellung von dem, was man gemeinhin andernorts unter Ballett oder Tanztheater versteht, im Kölner Opernhaus, sondern gerade mal ein Termin von Amanda Millers Truppe im Schauspielhaus und fünf Vorstellungen in der Diaspora der Halle in Kalk.

Nun mag es ja manch einen Ballett-Phobisten geben, der sich angesichts des „Nussknacker“-Tsumani an unseren Stadttheatern und Opernhäusern nach nichts so sehr sehnt wie nach dem Kölner Ballett-Ramadan. Andererseits blutet es einem „reingeschmeckten“ Kölner (und als der habe ich immerhin vor Stuttgart siebzehn Jahre lang in der Rhein-Metropole gelebt) das Herz, zu sehen, wie so vielen Kölner Kindern, die andernorts auf der ganzen Welt ihre ersten Ballettvorstellungen in der Adventszeit erleben, eine oft so einschneidende Erfahrung schlicht vorenthalten wird. Denn welche Eltern werden schon bereit und finanziell in der Lage sein, ihre Kinder, wenn schon nicht in Köln, so doch in Dortmund, Düsseldorf, Kaiserslautern, oder Remscheid in den „Nussknacker“ zu schicken (als den nächst gelegenen Städten, aus denen man nach der Vorstellung noch nach Köln zurückkehren kann)? Es ist ein Trauerspiel mit dem Tanz in Köln (und in Bonn) – eben die Tanz-Funeralien von Köln. Was einem wieder einmal doppelt bewusst wird, wenn man sich daran erinnert, wie Wuppertal, Düsseldorf-Duisburg und Essen in den letzten drei Wochen mit Pina Bausch und Gästen aus aller Welt ihr Nordrhein-Westfälisches Tanzfestival gefeiert haben. Gar nicht zu reden von den seligen Zeiten der Kölner Sommerakademie des Tanzes und des Choreografischen Wettbewerbs, dessen erste Preisträger damals so unbekannte Namen wie Pina Bausch, Gerhard Bohner und Gigi Caciuleanu trugen – aber in jenen Tagen arbeiteten ja auch noch Gäste wie Leonid Massine, Birgit Cullberg, Agnes de Mille, Maurice Béjart nebst Flemming Flindt und sogar ein Mann namens John Cranko am Kölner Opernhaus und eine Junioren-Equipe der Choreografen hatte sich um Jochen Ulrich, Helmuth Baumann, Jürg Burth und Johann Kresnik geschart.

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