Aus einer anderen Zeit

Zum Tod der Ballerina Eva Evdokimova

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Stuttgart, 04/04/2009

Sie war – nach Antonietta dell'Era, die in St. Petersburg die Zuckerfee im „Nussknacker“ kreiert hat – die erste Ballerina, die von Berlin aus eine Weltkarriere gemacht hat. Geboren 1948 in Genf als Tochter einer amerikanischen Mutter und eines bulgarischen Vaters, studierte sie an der Ballettschule der Bayerischen Staatsoper in München, holte sich dann ihren Feinschliff in London und Kopenhagen. wo sie auch ihr erstes Engagement beim Königlich Dänischen Ballett erhielt und ging 1969 als Solotänzerin an die Deutsche Oper in Westberlin. Zu der Zeit konnte sich an der Spree niemand mehr daran erinnern, eine Ballerina von ihrem Adel gesehen zu haben, die sich hätte rühmen können, von sich zu sagen: „Ich bin eine Berlinerin.“

Evdokimova konnte es und tanzte alle ihre Rivalinnen an die Wand: die Trofimowa, die Köster, die Deege, die Preisser – und eroberte sich an der Seite solcher Partner wie Rudolf Nurejew, Peter Breuer und Erik Bruhn die Bühnen der Welt: eine Prima, die nicht nur den klassischen Rollen des romantischen Repertoires zwischen Bournonville und Petipa ihre sehr eigene zarte Farbe lieh, sondern auch auf dem modernen Sektor reüssierte, etwa bei Spoerli und in Luiparts Uraufführung der „Vogelscheuchen“ von Günther Grass (eine abenteuerliche Vorstellung: eine der verklärtesten Giselles ihrer Generation als Vogelscheuche!).

Im Grunde war sie eine moderne Romantikerin, die mit jedem ihrer Auftritte pure Magie verströmte. Dabei von einer Natürlichkeit und einem sanft dahin rippelnden Bewegungsfluss, der ihre Pas de bourrées wie das sotto voce Murmeln eines schubertschen Baches erscheinen ließ. Sie hatte sich dann wohl eine Karriere nach dem Vorbild Nurejews als „Eva und ihre Freunde“ erträumt, als sie sich im Groll von Berlin trennte, wo sie sich künstlerisch eingeschränkt wähnte und nach Amerika ging, aber daraus wurde dann nichts. Und so ist sie der Ballettwelt peu a peu abhandengekommen und am 3. April in New York ihrem Krebsleiden erlegen. Berlin aber musste ein Vierteljahrhundert warten, bis es erneut eine Ballerina von ihrem Liebreiz und ihrem tänzerischen Adel an der Spitze der inzwischen zum Staatsballett avancierten Kompanie zu sehen bekam.

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