Jeden Januar wieder

Mehr Suchen als Finden bei den Tanztagen in den Sophiensaelen

Berlin, 09/01/2009

Jeden Januar wieder: Eine festgesättigte, bewegungsdurstige Klientel stürmt die Tanztage in den Sophiensaelen. Wie extrem sich zeitgenössischer Tanz heute präsentiert, demonstrierten bereits die ersten drei ausverkauften Abende. Kompromisslos gibt sich in seiner Uraufführung „memor I am“ das Trio Deter, Müller, Martini. Eine halbe Stunde zelebrieren die Darsteller in Endlosschleife ihr Fasziniertsein von der Erschießungsszene aus einem Film um die Edelganoven Bonnie und Clyde. Klaviergesäusel wird von Kugelsalven zerschossen, durchsiebte Körper schütteln sich in Todesaerobic. Mehr als anstrengend, nicht nur für die Dauerschüttler.

Fröhlicher, witziger, nicht ohne Hintersinn das zweite Stück des Doppelabends. Für „AIUAIO 1.2“ gehen Akrobatik, Tanz, Musik 45 Minuten eine erfrischende Allianz ein. Hauptrequisit der vier Tänzer sind weiße Bälle, die auf schrägen Köpfen liegen, von Ohr zu Ohr, Partner zu Partner wandern, durch die Luft flitzen. Was anfangs nach Harmonie ausschaut, Tempo und Charme hat, schlägt in Manipulation um. So wird ein Mann für zwei Akteure zum willenlosen Wurfmaterial, einen anderen traktieren sie, indem sie ihn am Kopf umherschieben. Behindern, Beklettern, Verwickeln gehört ebenso zum perfekt vorgeführten Repertoire, unterbrochen stets von getanzter Jonglage. Dem das soviel Spaß bereitet, dass er jungenhaft naiv nicht davon lassen kann, binden sie am Ende die Hände an Seile und straffen sie, bis er jonglierunfähig wird. Gabriel Galindez Cruz, Stefan Sing, Tobias Wegner, Milian Vogel haben mit einer Vorstufe ihrer originellen Kreation einen französischen Zirkuswettbewerb gewonnen, bauen sie nun zu Abendlänge aus.

Beliebt bei Tanztage-Gängern sind „Junge Choreografen“. Fünf Frauen, meist ihre eigenen Interpreten, stellten achtbare Resultate vor. Unbeirrt lässt sich Dasniya Sommer 20 Minuten einsehen, wie sie zu verrocktem Vivaldi ihren nackten Körper verseilt, an einen Ring hängt, wieder befreit. Japanische Fesselungstechniken treffen auf die Zwänge einer Ballerina in Spitzenschuhen. Vier Minuten genügen Laura Keil, um organisch fließend Fragen ans Leben zu formulieren. Gewichtiger gibt sich Jule Flierls Viertelstünder „Happiness is a war…m gun“. Spitzfindig wie der Titel ist ihr Spiel mit selbst erzeugten Lauten, die den Körper steuern, sich zu Beatles-Titeln fügen, wie man sie dann auch hört. Wörter quietschen, bleiben stecken. Mit Münzen im Mund kapituliert sie lispelnd vor „suddenly“. Während Esther Quades Versuch, nachweihnachtliche Stimmung auf die Szene zu zaubern, gründlich scheitert, besteht Xenia Wiest mit „Moment musical“ ihre Talentprobe rundum: Fünf Minuten nur braucht sie, um gemeinsam mit Soraya Bruno zu Musik Schuberts motiviert und ausdrucksstark Körper und Röcke reden zu lassen. Tänzerisch souverän, gedanklich dicht.

Woran „memor I am“ aus dem Eröffnungsprogramm krankt, mangelnde dramaturgische Aufbereitung einer Idee, keinerlei tänzerische Weiterverarbeitung von Ausgangsmaterial, daran leidet auch ein weiterer Doppelabend. In ihrer Uraufführung „Ich bin Baum“ will Jana Unmüßig Zeit sichtbar machen, streut winzigste Bewegungspartikel dürr, saftlos, zufällig in den Raum hinein. Ebenfalls 30 Minuten lang löst Juli Reinartz in „Precarious Intimacy“ Synchronposieren zu metallischem Sound in selbstläufige Einzelaktion auf. Kein Abend auch qualitätvollen Tanzens.

Bis 12.1., Sophiensaele, Sophienstr. 18, Berlin-Mitte, Kartentelefon 28 35 266, Infos unter www.sophiensaele.com

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