Nachtschwärmer und schräge Vögel im Untergrund

„Nighthawks“ in Hagen

Hagen, 25/10/2009

Schräge Vögel, Penner, Akrobaten treffen sich zum nächtlichen Stell-dich-ein „under ground“. In der U-Bahnstation hängen die Nachtschwärmer ab, tanzen, lachen, flirten, gammeln, träumen - „it's time to love“. Ricardo Fernandos Choreografie „Underground“ beschließt als schwungvolle Entertainment-Show den eher düster-elegischen ersten Hagener Ballettabend „Nighthawks“ (Nachtschwärmer). Die pfiffige Ausstattung von Jan Bammes – Kulissenmalerei, Videos und Stufen bis über den abgedeckten Orchestergraben - schafft das passende Fluidum und vergrößert die Bühne effektvoll. Tom Waits' Live-Show von 1975 „Nighthawks at a Diner“ (inspiriert von Edward Hoppers Gemälde aus dem Jahr 1942) zieht sich als roter Faden durch die schmissige Choreografie. 17 Songs der legendären heiseren Rock-Röhre – darunter natürlich „Underground“ und auch Hits wie „Clap Hands“, „November“, „Time“ und „Straight to the Top“ - werden eingespielt und von dem Saxophonisten Gerrit Rentz live mit Improvisationen reizvoll umspielt.

Ganz anders beginnt das Programm. Es bietet ein höchst willkommenes Wiedersehen mit dem Franzosen Eric Oberdorff, der auf der dritten Hagener Aids-Gala im November 2008 mit dem Pas de deux „Absence“ (einer kleinen Studie über abhanden gekommene Liebe) aus seinem Ballett „A Momentary Lapse of Being“ seine sehr eindrucksvolle Visitenkarte in der Region abgegeben hatte. Nun hat er dieses Duett auf Arvo Pärts schon vielfach choreografierten Sonatensatz für Violine und Klavier „Spiegel im Spiegel“ mit zwei Hagener Tänzern neu einstudiert, den vorzüglichen Solotänzern Carla Silva und Malthe Clemens. In kurzen Passagen auf kahler Bühne zwischen hellem Lichtstrahl und verlöschendem Licht tanzt das Paar leichtfüßig, elegant und konzentriert Oberdorffs originelle, eckige und kantige Körpersprache, die verblüffend harmonisch Alltagsgestik und klassische Ballettelemente miteinander verquickt. Eindeutig waren diese wenigen intimen Minuten die kostbarsten dieses Premierenabends. Der Auftakt mit Oberdorffs Stück für sieben Frauen und vier Männer „Libre“ (Frei) ist in wesentlichen Punkten „Absence“ frappierend ähnlich: der kompositorische Duktus des Georgiers Giya Kancheli scheint beim ersten Hören fast eine Variation auf Pärts kleine Komposition. Auch die Beleuchtung ist ganz ähnlich wie in „Absence“. Diese Düsternis, aus der die Tänzer in gelben Satinkostümen von Philippe Combeau fast wie Glühwürmchen leuchten, wenn denn ein blasser Lichtstrahl mal auf sie fällt, ist ermüdend, zumal auch das sehr getragene Tempo der Sätze aus „Time...and again; V & V“ kaum je durch eine etwas flottere Passage unterbrochen wird. Oberdorffs Handschrift ist exakt wie in „Absence“, der Wechsel zwischen unterschiedlichsten Paaren, Gruppen und Solisten sehr schlüssig und lebendig. Hagens Tänzer bewältigen die neue Technik mustergültig. Ricardo Fernandos kleine Truppe wächst an diesem Abend fast über sich hinaus.

Nächste Vorstellungen im Theater Hagen: 29.10., 3. 11., 5.12. 2009

www.theater.hagen.de

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