Sinnliches mit Widerhäkchen

Sie zählt zwar zu den bekanntesten modernen Tanzkompanien der USA, aber die Hubbard Street Dance Company aus Chicago gehörte nie zu den Pionieren und Visionären dieser Kunstform. Sie vertritt eher die populäre Richtung des modernen Tanzes, zeigt kraftvolle, athletische und rasante Stücke in einer Mischung aus Modern und Jazz Dance mit ein wenig Ballett. Wie so viele europäische und amerikanische Kompanien hat auch sie seit ein paar Jahren einen jungen Ableger, und diese siebenköpfige Truppe namens Hubbard Street 2, kurz HD2, begann ihre Deutschlandtournee am Dienstag in der Tanzreihe des Ludwigsburger Forums am Schlosspark. Wieder eine Gelegenheit also, das kennen zu lernen, was man in den USA derzeit für modern hält, denn HD2 veranstaltet einen jährlichen Choreografen-Wettbewerb, dessen Gewinner dann jeweils ein kurzes Stück mit der Kompanie erarbeiten. Und kurz heißt hier wirklich kurz – der Abend im Ludwigsburger Forum bestand aus sechs Stücken von zehn, höchstens 15 Minuten Länge.

Das sollte eigentlich für Abwechslung sorgen, aber irgendwie sah doch alles ähnlich aus. Die allermeisten Choreografen-Namen haben wir hier in Europa noch nie gehört – bis auf Christian Spuck natürlich. Von 2005 an schuf der Hauschoreograf des Stuttgarter Balletts einige Stücke für die Junioren aus Chicago, darunter „The Restless“ zum letzten Satz einer Violinsonate von Bach. Dem Inhalt nach ein typischer Spuck im huschenden, schnellen Stil von „das siebte blau“, ist die Verpackung mit ständigen Rückenansichten, schwarzen Hosen und der Betonung von Händen und Armen ein wenig zu eindeutig beim Kollegen Marco Goecke entliehen. Gegenüber den anderen Stücken fällt auf, wie elegant der Europäer Spuck am Duktus des klassischen Tanzes festhält, wo sonst sinnliches Hüftschwenken und ein lockeres Jazzfeeling dominieren.

So richtig modern ist dann auch keines der sechs Kurzballette, fast immer siegt zu stark rhythmischer Musik der unbedingte Bewegungsdrang über irgendeine Art von konzeptuellem Anspruch, so etwa in den Stücken von Brian Enos oder Lesley Telford. Alles wirbelt angenehm und widerstandlos, aber mit höchster Energie und Körperspannung dahin. Im Pas de deux „Gimme“ von Lucas Crandall endet die Verbundenheit des Paares durch ein Stück Schnur mit einem spaghettischlürfenden Kuss. Wesentlich origineller, weil widerborstiger und schräger, ließ sich das Duo „Float“ von Julian Barnett zu elektronischem Pop an. Das rasante „Stand Back“ von Katarzyna Skarpetowska, eine Art lateinamerikanische Neoklassik im Stile der „West Side Story“, überrascht immerhin mit ein paar Widerhäkchen in Form von Verzögerungen und Tempowechseln, zeigt aber zum Abschluss noch einmal in Reinkultur, wofür die Tänzer von Hubbard Street so geliebt werden: für ihren sinnlichen, rückhaltlosen Körpereinsatz voll Rhythmus und unendlicher Energie.

Links:
www.hubbardstreetdance.com 
www.forum.ludwigsburg.de