„You’re doing a perfect job“

„At large“ von Eleanor Bauer

Berlin, 24/08/2009

Es sieht aus wie eine Persiflage auf Breakdancer. „Scratching“ heißt der angeblich neu erfundene und im Internet propagierte Streetdance von Eleanor Bauer. Diese meint es ernst und rät zur Nachahmung. Für ihre Tanztechnik „Scratching“ gibt es Anleitung bei Youtube und MySpace. Füße bleiben beim Scratching immer am Boden, egal wie unbeholfen die Bewegungen auch aussehen mögen. Das macht das Scratching aus, bei dem die Füße über den Boden rutschen bzw. kratzen (scratch) und wie beim Gehen vor und zurück geschoben werden. Dazu schwingen Arme lässig hin und her, die Ellenbogen wippen auf und ab. Eine besondere Herausforderung stellen allerdings nicht die Bewegungen dar, sondern der todernste Blick, den auch die Tänzerinnen in „At large“ aufsetzen.

Eleanor Bauer selbst gibt an diesem Abend das Sratching nicht zum Besten, dafür aber die Tänzerinnen Manon Santkin und Femke Gyselinck. Zu Beginn treten die drei Tänzerinnen als Revuegirls auf, tanzen und singen mit affektiertem Lächeln und stellen dabei schauspielerisches und humoristisches Talent unter Beweis. Bauer wendet sich direkt an das Publikum, das auf der kleinen Tribüne des HAU 3 bis an die Decke gestapelt sitzt. Sie leitet nach der Showeinleitung in amerikanischem Slang zur Performance über. „You´re doing a fantastic job of sitting there and waiting for something to happen“. Keine Ironie. Obwohl man sich bei ihr nie so ganz sicher sein kann. Die beiden Tänzerinnen bewegen sich zeitweise ohne Musik und spielen verschiedene klassische Tanztechniken durch, schließlich ziehen sie sich auf der Bühne um und fahren in Kapuzenoberteilen fort. Wie 14-jährige Rapperjungs zeigen sie Angeberposen und wirken mit der hoch ernsten Mine urkomisch. Während die eine ihre „moves“ vorführt, wippt die andere lässig zum Takt, der Ghettoblaster auf der Schulter, entsprechend dem Klischee der 80er Jahre Jugendgangs, die sich in Tiefgaragen zum Breakdancen treffen.

Es macht Spaß, die Leichtigkeit und Abwechslung der Episoden zu verfolgen. Das Publikum ist für humoristische Einlagen dankbar. Dies scheint auch Hauptsache der Performance zu sein: Leichtigkeit, Spaß und Humor. Vielmehr als eine tiefgründige Reflexion über den Tanz an sich. Doch „at large“ ist eine Studie und basiert auf einer detaillierten Beobachtung und Auswertung von Youtube-Videos über Tanz durch die Choreografin selbst. Bauer macht sich diese teilweise zu eigen, und kreiert einen eigenen Streetdance, der zwar nicht wirklich umwerfend ist, aber die Jugendbewegung und ihre Rituale widerspiegelt. Weiter greift die 26-jährige Choreografin aus New Mexico den Diskurs über Tanz als Unterhaltung, als Freizeitbeschäftigung versus Kunst auf. Welche Position Eleanor Bauer selbst einnimmt und ob sie überhaupt ernsthaft Stellung bezieht, bleibt die Frage. Humorvoll und anspruchsvoll ist die Aufführung allemal und das Nachmachen sowieso.

Autorin: Ruth Wolter

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