Feurig, halb wach und ganz anwesend
ImPulsTanz Wien 2023 – ein Resümee der ersten vier Tage
Die Akademie-Reihe „Politische Körper“ ehrt Robert Wilson und Suzushi Hanayagi
Aus dem Dunkel des präparierten Ausstellungssaals 3 leuchten 29 Monitore verschiedener Größe auf. Wie in Samt gebettet wirken sie auf dem schwarzen Grund und hängen doch frei an drei der Wände. Separat zu sehen sind Körperbilder einer würdigen Greisin. Abwechselnd oder gleichzeitig scheinen die Sequenzen auf, einzeln oder in Dreiergruppen. Welke Hände strecken sich, spreizen gichtige Finger, drehen sie in tänzerischer Bewegung. Mit gekrümmten Zehen bieten sich ausgebeulte Füße dem Blick, das dezente Blumenmuster des Kleids fährt über die Leinwände. Keine Regung zeigt das faltige Gesicht mit der fein gefurchten Stirn. In Zeitlupe blinzeln auf zwei beinah gleichen Monitoren die Augen, überschrieben von den Buchstaben „dancing in my mind“. Das ist auch der Titel dieser kleinen Ausstellung in der Akademie der Künste am Pariser Platz. In ihrer langfristig konzipierten Reihe „Politische Körper“ ehrt sie als siebten Künstler von Rang Robert Wilson, den 1941 in Texas geborenen, heute in New York lebenden Regisseur und Theaterautor, Maler, Lichtdesigner und Bühnenbildner, Videokünstler und Architekten. Als Miterfinder der Langsamkeit als Gestaltungsmittel für seine weltweit tourenden Performances gilt er, und die setzt er auch in der Hommage an eine der engsten Weggefährtinnen ein.
Nicht sich selbst lässt Wilson feiern. Vielmehr nutzt er seine Arbeit, um die Frau zu ehren, die über 15 seiner großen Stücke fürs Theater choreografiert hat. Suzushi Hanayagi, geboren 1928 in Osaka, erlernte von Kindheit an klassisch japanische Stile: Kabuki, Nô, den solistisch praktizierten Geisha-Tanz Jiuta-mai. Anfang der 1960er ging sie nach New York, ließ sich von den Kunstaktionen etwa Robert Rauschenbergs faszinieren, wurde Akteurin der legendären Tanzexperimente in der Judson Church. Gemeinsam mit Carla Blank kreierte sie Tanzstücke, arbeitete mit Merce Cunningham und Yoko Ono, ohne ihre Karriere in Japan zu vernachlässigen. Anfang der 1980er wiederum traf sie Robert Wilson, beide auf der Suche nach der „reinen“, inhaltsfreien Bewegung als künstlerischer Essenz. Wilson empfand Hanayagi als Lehrmeisterin und kongeniale Partnerin. Choreografien für solch vielfältige Stücke wie „The Civil WarS/Knee Plays“, „Alceste“, „Hamletmaschine“, „Madame Butterfly“, „The Forest“ und, hier in Berlin, „Dr. Faustus Lights the Lights“ waren das Ergebnis.
In einem Heim für Demenzkranke traf Wilson 2008 seine einstige Wegbegleiterin in Osaka wieder und widmet ihr in Freundschaft ein dreiteiliges Gedächtnisbild. Es besteht aus jener von sanfter Musik umspielten Installation, die mosaikhaft einzelne Bilder zu einem Gesamten fügt, sowie dem Dokumentarfilm „KOOL – Dancing in My Mind“, in dem Wilson als Erzähler fungiert. Zu sehen sind Momente der letzten Begegnung, Zitate der gemeinsamen Arbeit und Interviewausschnitte. Ergänzt zur Trilogie werden Installation und 26-Minuten-Film am Sonntag, 12.9., durch das theatralische Porträt „KOOL“. Sechs Tänzer aus New York und Djakarta zeigen vor Film- und Bildprojektionen Choreografien von Hanayagi, Blank und weiteren Freunden jener Avantgardeära sowie traditionell ostasiatisch inspirierte Soli.
12.9., 15 + 20 Uhr, Akademie der Künste, Infos unter www.adk.de
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