Von irdischem Tanz und himmlischer Schönheit

Mit „La Peri“ entfaltet das Berliner Staatsballett magischen Zauber aus Bewegung und Bild

Berlin, 28/02/2010

Das war ein Tanzwochenende. Der deutsche Tanzpreis wurde in Essen vergeben. Wer und was alles auf die deutsche Tanzplattform gehört, sah man in Nürnberg. Was die Tanzwelt mit einem Choreografen wie Uwe Scholz, der 2004 starb, zu verdanken hat sah man in Leipzig. Welche Schätze der Tanzkunst im klassisch-romantischen Repertoire verborgen sind, sah man in Berlin, wo das Staatsballett mit „La Péri“, uraufgeführt in Paris 1843, bearbeitet, choreografiert und inszeniert von Vladimir Malakhov, einen wahren Wiederentdeckungstriumph feiern konnte.

Das Stück, Libretto Théophile Gautier, Musik Friedrich Burgmüller, gespielt von der Staatskapelle Berlin unter Paul Connelly, enthält die wichtigsten Motive der klassisch-romantischen Gattung, die wir zu kennen meinen. Es erinnert sowohl an „La Sylphide“ als auch an „La Bayadère“, und ist am Ende doch ganz anders und fügt eine eigene Variante zu den Geschichten, die alle auf ihre Weise davon handeln, dass es tödlich ist, das Leben mit dem Traum zu verwechseln oder den Rausch für das Wahre zu halten. Das klingt moralischer als es in einem solchen Stück daher kommt, aber eben weil diese Feengeschichten, Geisterfantasien oder Paradiesmärchen der Grundierung aus der Erfahrung existenzieller Verunsicherungen an der Schwelle zur Neuzeit nicht entbehren, vermag ein solches Werk aus dem Geist der Märchenwahrheit in so kunstvoller Wiedergabe wie jüngst durch das Berliner Staatsballett Beklommenheit und Glück zugleich zu vermitteln.

An drei Orte führt uns Vladimir Malakhovs Fassung, die sich am Libretto, an Aufzeichnungen und Beschreibungen, an bildlichen Wiedergaben, an den Notenhandschriften vor allem orientiert und doch eigene Akzente setzt. In der glücklichen Zusammenarbeit mit dem Ausstattungskünstler Jordi Roig, der auch Tänzer war, spielt die Magie der von ihm geschaffenen Bildwelten im Lichte von David Bofarull eine besondere Rolle. Wie sich hier ein Gefängnis in die festliche Halle eines Harems verwandelt, von dessen Terrasse der Blick mit dem Lauf des Nil und seinen fantastischen Uferlandschaften im wechselnden Licht in die Ferne gelenkt wird, wie aus dem Himmel des Theaters sich ein üppig blühendes orientalisches Paradies über alles Irdische breitet, wieder entschwindet und am Ende der Kerker einzig Bestand hat, allein deshalb lohnt die Fahrt nach Berlin.

Und natürlich lohnt sie wegen der ausgezeichneten Tänzerinnen und Tänzer, die zu erleben sind in der Geschichte des Prinzen Achmed, der an Lebensüberdruss und Fernweh leidet. Weder fröhliche Musiker, noch so sprunggewaltige Diener wie Alexander Korn, Rainer Krenstetter und Dinu Tamazlacaru, vier bezaubernde Prinzessinnen im Pas de cinq mit Arshak Ghalumyan können den an Melancholie laborierenden Berliner Ballettchef erfreuen. Selbst die hinreißende, charakterstarke Beatrice Knop vermag als Lieblingssklavin ihn nicht umzustimmen. Das vermag allein Diana Vishneva, an diesem Abend aus St. Peterburg gekommen, die aller Erdenschwere enthoben in der legendären Titelpartie durch Kerker, Harem, Paradies und am Ende, weil's gar nicht anders sein kann, sogar in den Himmel schwebt. Lautlos ist ihre Spitzenkunst, von zerbrechlicher Schönheit die so ganz besonderen zarten Linien der Arme. Da gibt es eine Vielzahl hinreißender Szenen aus reinem Tanz, auf Erden und im Paradies, das man sich offensichtlich ertanzen kann, treffen wir hier doch Prinzessinnen und Dienertrio wieder. Jedoch das kleine Drama zu dritt im ersten Teil, wenn drei Wesen miteinander tanzen und jedes in jedem ein anderes sieht, der Prinz, die Sklavin und die Péri, das berührt die Momente aus Wahn und Sinn, die diese Wahnsinnskunst ausmachen.

Das tödliche Drama des Stückes geht eigentlich auf einen Fehler aus Liebe zurück, den die göttliche Péri begeht. Um dem Prinzen nahe zu sein, schlüpft sie in die Gestalt einer geflohenen, wieder gefangenen und getöteten Sklavin des Paschas. Da der nicht sehen kann, was wir wissen, ist der, bei dem er seine vermeintliche Sklavin antrifft des Todes durch Fenstersturz. Wir sind im Ballett, der Sturz des Prinzen ist ein Sprung, ein Liebessprung, geradewegs in die himmlisch leuchtende Apotheose, wo ihn die Péri erwartet. Nach so viel Erschütterung, Sinnestäuschung im Rausch, schnöder Verwechselung, vor allem aber hinreißendem Tanz der Solisten, aller Sklaven, Odalisken, Soldaten, Eunuchen und paradiesischen Péris in kunstvoller Kostümpracht, so dezente, romantische Ironie, das ist noch einer der schönen Momente dieses Abends, der an solchen nicht gerade arm ist. Tosender Applaus und tausend Tulpen.

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