Niv Sheinfeld and Oren Laor on the war in Israel and Gaza
Two choreographers from Israel with their hope for peaceful coexistence
Selten war ein Platz in der Mitte der Reihe so wertvoll wie bei der Deutschen Erstaufführung von Keren Levis „The Dry Piece“ in Münsters Theater im Pumpenhaus. Nur, wer geradeaus auf die quadratische transparente Leinwand und die dahinterliegende, ebenso große weiße Tanzfläche blicken konnte, kam in den vollen Genuss des faszinierenden Spiels geometrischer Muster aus vier nackten Frauenkörpern. Wohlweislich waren die Randplätze mit leeren weißen Papierblättern belegt. Spätestens am Ende der einstündigen Performance wusste jeder, was diese „Platzverweigerer“ bedeuteten.
Schon während die Zuschauer ihre Plätze einnehmen, sieht man auf der Leinwand winzige bunte Muster, die sich wie im Kaleidoskop ständig verändern. Dann treten die vier Tänzerinnen in Alltagsklamotten von den Seiten auf, entledigen sich langsam ihrer Bekleidung, formen Tableaus wie man sie etwa von den nackten Badenden des Expressionisten Otto Müller kennt, oder auch vom Ausdruckstanz der 1920er Jahre. Gelegentlich bewegen sich dann die von Gel glitzernden Leiber und Gliedmaßen in Zeitlupe. Das wirkt unglaublich ästhetisch - so, wie man das japanische Duo Eiko und Koma in Erinnerung hat. Oder sie formieren sich wie Synchronschwimmer, als Knäuel oder gleich einem vielarmigen Oktopus. Projektionen der von oben gefilmten Sequenzen überlagern die realen Bilder. Manchmal fallen schwarze Schatten auf die Leinwand, stören die Harmonie.
Die in Israel geborene Levi, seit Jahren in Amsterdam zu Hause, beruft sich in diesem neuen Tanzstück auf den Hollywoodregisseur und Choreographen Busby Berkeley, der für seine musikalischen Produktionen in den 1970er Jahren mit komplexen geometrischen Figuren arbeitete. Dafür setzte er eine große Zahl von Tänzerinnen ein und verwendete außerdem eine Kamera, um ganz andere Perspektiven und Sichtweisen von Personen und Dingen zu ermöglichen als Theaterzuschauer sie gewohnt waren.
Soweit also lässt sich Levis „Dry Piece“ gewissermaßen als Retro-Kunststück verstehen. Das aber scheint kaum ihr Anliegen zu sein, zitiert sie doch auf dem Programmzettel die These der amerikanischen Feministin Naomi Wolf („Der Mythos Schönheit“, deutsche Ausgabe 1991), unsere Kultur bilde nur Frauen nackt ab und verletze damit die Gleichwertigkeit aller Menschen. Merkwürdig überholt klingt das, zumal drei Tage vor dieser Premiere am selben Ort die NRW-Premiere von „Two Room Apartment“ von und mit Niv Sheinfeld und Oren Laor begeistert gefeiert worden war. Die beiden Israelis hatten, mit Einverständnis von Liat Dror und Nir Ben Gal, deren Duett für eine Frau und einen Mann von 1980 rekonstruiert, aber für sich selbst modifiziert - bis hin zum nackten Männerkörper und berührend zärtlicher, verzweifelt liebeshungriger Umarmung. Geometrische Muster in einem leeren, aseptischen Raum auch hier. Aber die vier Frauen in „The Dry Piece“ sind völlig desinteressiert aneinander, wenngleich nicht unabhängig von den anderen. Gemeinsam ist beiden Stücken die Faszination vergangener Ausdrucksformen. Sheinfeld und Laor schlagen den Bogen vom Gestern zum Heute mutig und berühren menschlich. Levis Tänzerinnen lösen allein Bewunderung für die Ästhetik menschlicher Körper in perfekter Artistik aus.
„The Dry Piece“ ist am 7. und 8. Juni beim Tanzkongress in Düsseldorf zu sehen.
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