„If walls could talk“ von Patrick Delcroix. Tanz: Salome Martins und Ihsan Rustem

„If walls could talk“ von Patrick Delcroix. Tanz: Salome Martins und Ihsan Rustem

Wenn Wände sprechen können

„Moving Metaphors“ – ein zweiteiliger Tanzabend mit Uraufführungen von Patrick Delcroix und Lukáš Timulak am Theater Luzern

Die beiden Choreografen stammen aus zwei verschiedenen Tänzergenerationen. „If walls could talk“ ist eine reife Choreografie, die tief geht. Das zweite Stück „Inside“ ist verspielt und lässt die Herzen höher schlagen.

Luzern, 17/03/2014

„Moving Metaphors“ – ein Tanzabend, der in intime Momente einblicken lässt. „If walls could talk“ – was würden Mauern erzählen, wenn sie sprechen könnten? Das Stück des französischen Choreografen Patrick Delcroix blickt in den Alltag, der sich gewöhnlich hinter Mauern verbirgt. Wände in unserem Alltag ziehen klare Grenzen. Niemand weiß, was sich hinter Mauern abspielt. Die Wand ist auch Symbol für Hindernisse in zwischenmenschlichen Beziehungen. Haben Menschen nicht überall Wände aufgerichtet? Eine Begegnung von Mann und Frau an einem Tisch. Der Mann, der die Zeitung vor sich aufbaut, als Schutzmauer. Die Wand als Symbol für eine seelische Mauer, die gegen außen hin spürbar wird. Mit „If walls could talk“ bringt Delcroix Mauern zum Einstürzen und ermöglicht den Blick in eine verborgene Innenwelt. Der Zuschauer wird zum Voyeur.

Delcroix spielt mit der Gefühlswelt, indem er diese einer abstrakten Welt gegenüberstellt. Die Bühne ist schlicht und dennoch ein Blickfang. Ein Tisch, ein Stuhl, eine Lampe, welche in die Dunkelheit einen Leuchtkegel zaubert. Zum ersten Mal hat Delcroix eine Choreografie aufgrund einer Szenerie von Bühnenbildner Kees Tjebbes entwickelt. Den umgekehrten Weg zu gehen hat den Choreografen inspiriert: „Diese Art der Zusammenarbeit hat mich in eine neue Richtung gedrängt. Ich brauchte eine Weile, bis ich die Richtung fand. Doch dann wurde ich sehr persönlich“, verrät Delcroix, „ich erzähle ein Stück meiner eigenen Geschichte.“ Seine Art der Erzählung ist und bleibt abstrakt: „Ich mag es nicht, das Publikum mit einer Geschichte in eine Richtung zu zwingen. Mir ist wichtig, dass jeder seine eigene Geschichte entwickelt“. Der erfahrene Patrick Delcroix war einer der bedeutendsten Tänzer des „Nederlands Dans Theater 1“ bei Jirí Kylián. Als Choreograf entwickelte er eine poetische Handschrift, die durch ihre fließenden Bewegungen fasziniert.

Auch in der Choreografie „Inside“ von Lukáš Timulak lassen die Tänzerinnen und Tänzer die Zuschauer in ihr Innerstes blicken. Das Herzklopfen der Tänzerinnen und Tänzer pocht über Verstärker in den Zuschauerraum. Das Publikum wird Teil des Herzrhythmus des Ensembles. Der Herzschlag des Zuschauers scheint sich diesem Herzklopfen anzupassen. Die Klopfgeräusche überschlagen sich beinahe, wenn das Ensemble gemeinsam auftritt.
Die Tänzer bewegen sich zum Rhythmus ihrer eigenen Herzgeräusche. „Das Herz und sein Schlagen waren Ausgangspunkt für meine Arbeit“, erläutert Choreograf Lukáš Timulak, „Reale Herzschläge können das Innerste nicht verbergen“. Die an den Tänzerkörpern angebrachten Sensoren zeigen, wie groß Kraftaufwand und Anstrengungen auf der Bühne sind. So leichtfüßig „Inside“ wirkt, so intim ist dieser Einblick ins Innenleben der Tanzenden.

In den Herzschlag der Tänzer stimmen Rhythmen von Klavier- und Elektromusik ein. Die Übergänge sind bruchstückartig. „Meine Inspiration ist die Unvorhersehbarkeit des Lebens“, erzählt Timulak, „dieses Gefühl des Unvermittelten versuche ich mit meiner Bewegungssprache auszudrücken“. Wie im richtigen Leben, kippt auch die Stimmung von einem Moment zum nächsten. Rhythmus, Musik, Stimmung und Bewegungssprache wechseln innerhalb von Augenblicken. „Ich möchte den Eindruck erwecken, dass alles aus dem Moment heraus entsteht.“

Es ist seine erste Arbeit, die der slowakische Choreograf Lukáš Timulak in Luzern zeigt. Timulaks Handschrift zeichnet sich durch Kombinieren von tanzfremden Elementen mit klassischem Tanz aus. Für seine Choreografien arbeitet er mit Grafikdesigner Peter Bilak zusammen, der für seine technisch fortgeschrittenen Raumkonzepte bekannt ist.

Die beiden Choreografen stammen aus zwei verschiedenen Tänzergenerationen. „If walls could talk“ ist eine reife Choreografie, die tief geht. Das zweite Stück „Inside“ ist verspielt und lässt die Herzen höher schlagen. „Moving Metaphors“ widerspiegelt diese Vielseitigkeit auf allen Sinnes- und Gefühlsebenen. Ein zweiteiliger Tanzabend, der bewegende Metaphern zeigt, welche die innersten Regungen des Menschen ansprechen.
 

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