Lichtsucher
Neuer Ballettabend „From the Night to the Light“ in Oldenburg
Schwarz-weiß ist die neue Choreografie von Antoine Jully angelegt. Zwei weiße lange Bahnen mit in schwarz stilisierten Männer- und Frauenfiguren hängen im Bühnenhintergrund. Davor bewegen sich ein Mann und eine Frau, beide in wunderschönen, schwarzen, körpernahen Kostümen, die zu Brust und Schultern hin wie der Scherenschnitt eines Waldes auslaufen. (Kostüme: Judith Adam) Während beide sich im Kampf mit sich selbst und der Welt befinden, erscheinen hinter einer Leinwand weitere Tänzerinnen und Tänzer in Bewegungen, die an Vögel, andere Kreaturen, Pflanzen und Bäume erinnern.
Die 6. Sinfonie des schwedischen Komponisten Allan Pettersson (1911-1980) ist ein intensiver, ernster, eher düster-existentieller Strom, beinahe wie an- und abrollende Wellenbewegungen. Rasch wechseln die Bilder auf der Bühne im Rhythmus der Musik, die live aus dem Orchestergraben unter der Leitung von Carlos Vázquez ertönt. Die Zusammenarbeit des Oldenburgischen Staatsorchesters und der BallettCompagnie ist hier immer wieder ein besonderer Genuss.
Zwei Paare tanzen eng umschlungen; neue Paare erscheinen verrenkt, verschränkt ergeben sie ein absurdes Miteinander und im Weiteren sehen wir Frauen- und Männergebilde aller Art, die verschiedene Stadien und Formen von Beziehungen zeigen. Erste Begegnung, Liebe und Zuneigung, Leidenschaft, Spaß, Trauer, Wut, Zerstörung und Kampf werden thematisiert. Jully will das Schöne, das Extreme sowie das Hässliche unseres Menschseins zeigen, hat sich dafür auch mit den sieben Todsünden beschäftigt und sie als Basis für bestimmte Teile seiner Choreografie verwendet. Man spürt, dass der Choreograf auf der Suche nach etwas Intensivem ist, doch drückt sich dies hauptsächlich im schwer Dramatischen aus. Die Bewegungen der Tänzerinnen und Tänzer sind vorwiegend langsam, kraftvoll und wie gegen Widerstände angelegt – „heavy and slow“ heißt es in der Geschichte von Tanz und Ausdruck.
Doch leider ist die Tiefe der getanzten Aussagen oft durch das Bewegungsrepertoire des Balletts begrenzt. In manchen Solos, Duos oder den unterschiedlichen, schnell wechselnden Gruppenkonstellationen erahnt man – je nach tänzerischer Persönlichkeit – den Ausbruch in andere Bewegungsideen und die Energie einer Befreiung aus dem Formalen. Manchmal gibt es kleine Gesten, ein kurzes Wischen, Zittern oder Schütteln, was die formale Strenge überraschend kontrastiert. Manch erotisch anmutende Momente, seien sie wild, romantisch oder selbstverliebt, geben dem Stück selten berührende Variationen. Je weniger Attitude umso authentischer der Ausdruck. Doch der besonders anrührende Moment, ein verliebtes Duo von Nicol Omezzolli und Herick Moreira, wird leider durch ein im Hintergrund projiziertes, pochendes rosa Herz karikiert.
Kampf und Form stehen im Vordergrund der Choreografie – inhaltlich wie tänzerisch. Das Ensemble zeigt dies in kraftvoller Körperlichkeit. Dabei scheint das Zusammenkommen von Mann und Frau als unlösbare Aufgabe. Zusammen mit der Musik ergeben die getanzten Bilder in der 60-minütigen Choreografie mit der Zeit ein ermüdendes Zuviel an rhythmischem Gleichklang sowie an Drama. Da wünscht man sich auch mal einen deutlichen Kontrast gegen die schweren Töne der Musik. So fehlt „Men and Women“ vor allem Freude und Leichtigkeit, die es schließlich im Leben wie im Miteinander von Mann und Frau auch gibt.
Noch keine Beiträge
basierend auf den Schlüsselwörtern
Please login to post comments