Gleich zwei Preise

Deutscher Tanzpreis geht an Christoph Winkler und Marco Goecke

Zudem erhält Reinhild Hoffman den Ehrenpreis für das Lebenswerk und Aktion Tanz – Bundesverband Tanz in Bildung und Gesellschaft e.V. die Ehrung für herausragende Entwicklung im Tanz.

Essen, 04/05/2022

Zum ersten Mal in der Geschichte des Deutschen Tanzpreises wird der Hauptpreis in diesem Jahr an gleich zwei Personen vergeben. Michael Freundt, Vorsitzender des Dachverband Tanz, und Dr. Patrizia Stöckmann, Vorsitzende der Jury, begründeten die Entscheidung damit, dass der Tanz aus zwei Richtungen seine gesellschaftsstärkende und demokratiefördernde Kraft ausstrahle und es somit naheliegend sei, den mit 10.000€ dotierten Tanzpreis an je einen Protagonisten von einem festen Haus und an einen aus der freien Szene zu vergeben. Am Mittwoch wurden die Ehrungen in einer digitalen Pressekonferenz bekanntgegeben.

Mit Christoph Winkler geht der Deutsche Tanzpreis an einen Choreografen, der durch seine politischen und persönlichen Fragestellungen und kritischer Reflexion neue Formen entwickelt und in seiner Praxis daran arbeitet, den theatralen Kosmos über den eurozentrischen Kontext hinaus zu erweitern. Sichtlich bewegt bedankte sich Winkler für die Anerkennung, die er auch als Anerkennung all seiner Kolleg*innen verstehe und insbesondere deshalb als wertvoll erachte, da er in seinem Bestreben, möglichst international zu arbeiten, oftmals mit schlechten oder nicht vorhandenen Förderstrukturen konfrontiert sei.

Als weiterer Hauptpreisträger wird der Hannoversche Ballettchef Marco Goecke geehrt. Die Jury hob in der Begründung ihrer Entscheidung Goeckes unverwechselbare choreografische Handschrift hervor, mit der er durch alle Strömungen hindurch die Persönlichkeiten der Tänzer*innen hervorhebe. Goecke erklärte, dass er die Auszeichnung nach 25 Jahren seiner Praxis als Ermutigung verstehe weiterzumachen, insbesondere nach der anfänglich schwierigen Zeit in Hannover, zu der er viel öffentlicher Kritik ausgesetzt war. Er betonte, dass ihm sowohl die Anerkennung im Kleinen wichtig sei, wenn etwa nur ein*e Tänzer*in im Ballettsaal auf seiner Seiter stehe, als auch die Anerkennung im Großen, wie etwa durch die Auszeichnung mit dem Tanzpreis.

Eine weitere Neuerung in der Vergabe des Tanzpreises markierte die Entscheidung der Jury, einen Ehrenpreis an Reinhild Hoffmann für ihr Lebenswerk zu vergeben. Als Protagonistin der Pioniergeneration des Tanztheaters habe sie – u.a. durch die Gründung des Tanztheaterensembles Bremen und ihrer Arbeit im Schauspielhaus Bochum – einen wertvollen Beitrag zu Emanzipation der Gattung Tanz beigetragen und in der Beschäftigung mit aktuellen gesellschaftlichen Themen durch innovative Wege die Gesellschaft kritisch hinterfragt. Reinhild Hoffmann bedankte sich für die Auszeichnung, die sie als große Achtung gegenüber dem Aufbruch des Tanzes nach dem zweiten Weltkrieg verstehe.

Als vierte Auszeichnung wird im Oktober „Aktion Tanz - Bundesverband Tanz in Bildung und Gesellschaft e.V“ für herausragende Entwicklungen im Tanz geehrt. Seit 15 Jahren unterstütze er den Tanz als Medium gesellschaftlicher Teilhabe unabhängig von Alter, Körper und Herkunft und vertiefe die Vernetzung der Tanzwelt durch vielfältige Formate, so die Jury.

Während die Entscheidung der Jury, den Tanzpreis an gleich zwei Choreografen zu vergeben, ein Zeichen für die Vielfalt und Bedeutung des Tanzes setzt und die Ehrung Reinhild Hoffmanns eine wichtige Achtung der Wegbereiter*innen für die heutige Gattung Tanz markiert, ist jedoch fraglich, warum in diesem Jahr keine Tanzinterpret*innen ausgezeichnet werden. In Zeiten kollektiver künstlerischer Schaffensprozesse wäre es durchaus wichtig, nicht nur die Position der Choreografie, sondern auch die der Tänzer*innen zu ehren und zu stärken. In diesem Jahr hat der Deutsche Tanzpreis seine Bereitwilligkeit zur Erneuerung und Weiterentwicklung gezeigt, also werden hoffentlich im nächsten Jahr auch wieder Tänzer*innen berücksichtigt.

Der Deutsche Tanzpreis wird am 15. Oktober 2022 in einer feierlichen Tanzgala im Essener Aalto-Theater vergeben. Im Rahmen dessen wird außerdem ein digitales Symposium zum Thema Accessibility für Künstler*innen mit körperlichen und geistigen Einschränkungen veranstaltet.

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