WEIGELT.WEB - 101 TÄNZERPORTRÄTS
Über viele Jahre habe ich immer wieder Tänzer porträtiert. Dabei habe ich sie so in Szene gesetzt wie es mir für den jeweiligen Körper, das dazugehörige Gesicht und die gesamte Persönlichkeit kongenial erschien. Aber wer weiss das schon so genau? Vielleicht hat ja auch Friedrich Riehl Recht, der in seinem Vorwort zu meinem Porträtkatalog („Gert Weigelt - Porträtist“) mutmaßte, dass im Grunde alle meine Porträts Selbstporträts seien.
Dem eigentlichen, relativ kurzen, Termin des Fotografierens, geht ja eine längere Phase der Reflexion voraus. (Nicht nur) für den Tänzer muss ich ja ein individuelles Inszenierungskonzept vorbereiten, um die gemeinsame Arbeit nicht zu einem Zufallsprodukt werden zu lassen. Ein wenig mag das auch wie beim Choreografieren sein: Ein Choreograf folgt doch wohl meist seiner eigenen Bewegungsveranlagung, seinem inneren „movement pattern“. Das Ergebnis könnte man dann auch, in gewissem Sinne, autobiografisch nennen. Auf jeden Fall kommt es ja unbestritten zu einer Interaktion zwischen dem Porträtisten und dem Porträtierten. Meist sind es Tänzer, denen ich kein Unbekannter bin. Sie bringen mir also ein Grundvertrauen entgegen und besitzen dadurch die nötige Unvoreingenommenheit und Unbefangenheit. Das hängt damit zusammen, dass ich als „ehemaliger“ Tänzer (wobei ich eher geneigt bin zu behaupten, dass das Wort vom „einmal Tänzer immer Tänzer“ gilt) eine Art „Stallgeruch“ habe, der von meinen „Opfern“ instinktiv wahrgenommen wird.
Generell muss ich gestehen, dass das Tänzerporträtieren und Tänzerinszenieren die lustvollste Art des Porträtierens überhaupt für mich ist. Tänzer sind es gewohnt a priori erstmal das zu tun, was man von ihnen verlangt. Etwaige Lösungen zu eventuell auftretenden Problemen denken sie gleich mit. Wenn ich nun hier eine Galerie meiner Tänzerporträts vorstelle, möchte ich, neben all den Tänzern, Philippe Talard danken. Er war wohl der erste, der das Besondere in dieser Arbeit sah und mir schon sehr früh in Ulm (1989) und später in Mannheim (1992) einen richtigen (auch honorierten) Auftrag gab seine Truppe, nach meinem Gusto, für die Kamera zu inszenieren. Zweifelsfrei wären ohne ihn einige der besten Porträts nie entstanden. Der zweite größere Block wurde 2003 mit Tänzern in Basel realisiert. Diese geschlossene Arbeit gipfelte damals in einer Ausstellung im Tinguely Museum. Sollten Sie, liebe tanznetz.de user, über die Jahre meine Internet Kolumne „weigelt weekly“ verfolgt haben, so wird es das eine oder andere Wiedersehen geben. Hin und wieder gibt es mehrere Inszenierungen zu ein und derselben Person. Ich habe mich entschlossen Ihnen die wichtigsten Alternativen nicht vorzuenthalten.
Anmerken sollte ich noch, dass ich bewusst die Choreografenporträts außen vorgelassen habe, obwohl ja jeder Choreograf naturgemäß auch Tänzer in Personalunion ist (zumindest war). Gerhard Bohner; Susanne Linke und Urs Dietrich habe ich damals in ihrer Funktion als Tänzer porträtiert, obwohl sie natürlich alle drei gleichzeitig ihre eigenen Choreografen sind/waren. Es gibt viele Porträts von Tänzern, die inzwischen nicht mehr aktiv auf der Bühne agieren, damals allerdings noch voll in der Blüte ihres Tänzerlebens standen. Das macht wieder einmal schmerzlich deutlich, wie kurz eine Tänzerkarriere währt.
Gert Weigelt, 2007