„Moving Out Loud“ von Britt Hatzius

Den Tanz hören

„Moving Out Loud“ von Britt Hatzius im EinTanzHaus Mannheim

Am Wochenende lädt Sound- und Video-Künstlerin Britt Hatzius zum Hören von Tanz: „Moving Out Loud“ setzt auf Ohren statt Augen.

Mannheim, 13/06/2024

Für die einen ist es ein großer Spaß, für andere ein mit Angst besetztes Unternehmen. Und zwischen diesen Polen der Gefühle können alle möglichen Empfindungen liegen. In „Moving Out Loud“, das am 7. Juni 2024 Premiere hatte, ist die Künstlerin und Sound-Expertin Britt Hatzius im EinTanzHaus Mannheim menschlichem Sinnesvermögen außerhalb des mächtigen Sehsinns auf der Spur. 

Kurz vor der Tanzperformance bittet die Mannheimer Dramaturgin und Spezialistin für Audiodeskription, Charlotte Arens, das Publikum, die Schuhe auszuziehen. Am Boden führen Streifen, die mit einer Schnur als Leitlinie versehen sind, direkt zum Bühneneingang und weiter auf die mit schwarzen Vorhängen abgeteilte Bühne. Arens, die einfühlsam die Abläufe erklärt, reicht jeder Teilnehmerin und jedem Teilnehmer eine Augenmaske. Sie verdunkelt das Blickfeld und schaltet den Sehsinn aus, obwohl die Augen hinter der Maske entspannt geöffnet bleiben können. Behutsam geleitet Arens jeden entlang der Leitlinien, die gut mit den Füßen zu spüren sind, an einen Platz auf der Bühne. Hier habe ich zur Orientierung meine eigene Linie – ich spüre den Verlauf von ihrem Anfang bis zu ihrem Ende – das ist für die nächsten 45 Minuten mein Spielraum.

Hören als künstlerisches Erlebnis

Britt Hatzius hatte schon in einer früheren Arbeit „Listening Distance“ (2019) und zusammen mit dem blinden Echo-location- Experten Thomas Tajo Hören zum künstlerischen Erlebnis gemacht. In „Moving Out Loud“ hat sie mit blinden und sehenden Tanz- und Stimmkünstlerinnen gearbeitet. Hier geht es darum, Qualitäten von Stimme und Tanz hörbar und spürbar zu machen. Empathische Resonanz ist der Begriff, der gleich mehrere Kategorien ins Schwanken bringt: Einer seit der Antike dem visuellen verpflichteten Kultur setzt Hatzius das verdunkelte Blickfeld entgegen und macht ihre Arbeit zugänglich für blinde und eingeschränkt sehende Menschen. 

Kunstvoll und ausgeklügelt zugleich lässt Hatzius die Teilnehmer, die selbst zu Akteuren werden, eintauchen in ein außergewöhnliches Bühnenerlebnis. Komponiert aus Stimme, Musik und den komplexen Geräuschen tanzender Körper, fühle ich mich in meinem eigenen Körper als Teil der Performance. Audiodeskription nutzt die Stimme, um jemandem zu beschreiben, was zu sehen oder zu machen ist – ein wichtiges Tool für blinde Menschen. Eingesetzt als künstlerisches Mittel wird die Audiodeskription in der Performance zu einem ästhetischen Verfahren, das für alle am Projekt involvierten – sehende oder nicht sehende Menschen – neue Perspektiven bereithält. 

Blinde Balletttänzerin als Unterstützung

Krishna Washburn ist eine blinde Balletttänzerin, die Selbst-Audiodeskription als Unterrichtsmethode in ihren Dark-Room-Ballet-Workshops anwendet. Hatzius lässt die Tänzerin sprechen – wir erfahren über ihre Stimme präzise Bewegungsabläufe, lauschen ihren Anweisungen und bringen den eigenen Körper in Position. 

Von der Beschreibung, den Stimmen und Stimmungen der Künstlerinnen – Hatzius hat für „Moving Out Loud“ mit sehenden und nicht sehenden Tanz- und Stimm-Künstlerinnen zusammengearbeitet –  wandelt sich die Performance nach und nach in ein virtuelles Spiel aus den Sounds von sprechenden und tanzenden Körpern in Kombination mit Musik und Geräusch. Bald spüre ich die komplexen Klangfelder auf mich zu rollen, bald nehme ich sie von weitem wahr. Atem, Kraft, Leichtigkeit und Gewicht im poetischen Raum. 

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