„Quest“ von Ensemble Flock

Heiter ist es, solang der Sommer währt

Ensemble Flock mit „Quest“ bei den Freilichtspielen Schwäbisch Hall

Die Artus-Sage als Metapher: Alice Klock und Florian Lochner verbinden zeitgenössischen Tanz mit Alter Musik

Schwäbisch Hall, 09/09/2024

Zum vierten Mal tritt das deutsch-amerikanische Ensemble Flock im Globe Theater auf. Dieses Mal mit einer Uraufführung. „Quest“, so der Titel, bezieht sich auf die Artus-Sage und den Gralsmythos. „Perceval oder die Geschichte vom Gral“ (verfasst zwischen 1181 und 1191) ist der fünfte, längste und letzte höfische Versroman des Chrétien de Troyes und ein Meisterwerk der französischen Mittelalter-Literatur. Allerdings blieb der Versuch des Autors, Parsifals spirituelle Gralssuche, genannt „Queste“, mit christlichen Motiven zu verbinden, unvollendet. Die mittelalterliche Leserschaft fieberte ungeduldig einer Auflösung entgegen; so entstand eine Flut von Ritter- und Gralserzählungen – erst in Frankreich, dann weltweit. Sie setzt sich bis heute fort.

So vermitteln kostbarer Brokat und feine Stoffe, aus denen Mäntel, Umhänge und fließende Gewänder der sechs Protagonisten geschneidert sind, nicht nur das Flair der Renaissance, sondern verweisen auch auf die Individualität der Charaktere. Abgesehen von der gefährlichen Zauberin Morgana (Alice Klock), hat man als Zuschauer die Protagonisten der Sage nicht unbedingt im Kopf – ein Programm-Zettel wäre hilfreich. Das Who is Who von Merlin, Artus, Parsifal, Genoveva und Co. bleibt während der einstündigen Aufführung ein Rätsel. 

Dank Bühnennebel, Licht und Musik werden szenisch mystische Stimmungen aufgerufen und, vom höfischen Tanz inspiriert, neofeudale Rituale in Perfektion zelebriert – allein schon der aufrechte Gang in eleganter Haltung professioneller Tänzerinnen (Alice Klock, Liane Aung, Emily Krenik) und Tänzer (Florian Lochner, Kevin J. Shannon, Robert Rubama) ist eine Augenweide! Getanzt wird bis zur Taille unisex in langen losen lilaroten Hosen und (himbeerroten) Socken. Skulpturale Gruppen-Choreografien, aber auch Soli, Duette und Trios zeigen immer neue Facetten der einzelnen Tänzerpersönlichkeiten. Expressive Arm-Schwünge in Verbindung mit blitzsauberer Technik, hohen Beinen und wunderschönen Linien, weisen suggestiv über die Grenzen des Körpers hinaus und beeindrucken nachhaltig. 

Wie Kinder, die Shakespeare spielen

Erzählt wird von Macht, Liebe und Intrige. „Altenglische Lieder haben mich zu dem Stück inspiriert“, erklärt Klock im Nachgespräch, und meint damit nicht zuletzt „Miri it is while sumer ilast“, was übersetzt bedeutet „Heiter ist es, solang der Sommer währt“. Das Lied zieht sich beim Aufspüren des Grals wie ein Ariadnefaden durchs Stück. Gemeinsam mit Lochner zeichnet sie für die Choreografie zuständig. Er fügt hinzu: „Wir haben uns wie Kinder gefühlt, die Shakespeare spielen“. 

Das Choreografen-Paar, das sich seit einem Engagement bei Hubbard Street Dance Chicago kennt, hat mit Flock einen Ableger mit eigener Tanzsprache gegründet. Warum kommt die Kompagnie gerne nach Schwäbisch Hall? Lochner ist hier zu Hause. Hier hat er seine ersten Ballettschritte getan, bei Birgit Keil in Mannheim studiert, bei Gauthier Dance in Stuttgart getanzt. Nun wird der Tänzer, Ko-Direktor und Ko-Choreograf – partnerschaftlich neben Klock – hier von (dreimal) 300 Ballettfans mit Bravos und Ovationen im Stehen gefeiert.

 

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