„Afandor“
Marcos Moraus Hommage an den kolumbianischen Modefotografen
CCN Aterballetto mit „Notte Morricone“ von Marcos Morau im Festspielhaus St. Pölten
Sein unvergessener Sound bestand nicht nur aus dem Welten-Ende suggerierenden, letztlich in die überirdische Romanze abhebenden Klangopus für den Sergio Leone-Filmklassiker „Spiel mir das Lied vom Tod“ (1968). An die 500 Filme hat der vielseitige Komponist mit unverwechselbaren Stimmungen vervollkommnet.
Seinem künstlerischen Schaffen aber auch der persönlichen Eigenart des gebürtigen Römers Ennio Morricone, der 2020 91-jährig starb, widmet Choreograf Marcos Morau eine neunzigminütige Bühnen-Nacht, die sich in tiefem Schwarz zuträgt. Nur gleißend weißes Licht aus bewegten Lampen und Lämpchen (Ausstattung von Marc Salicrú), auch hinunter in den Graben zum Tonkünstler-Orchester Niederösterreich unter Morricone-Kenner Maurizio Billi mit Sopranistin Federica Caseti Balucani, erhellen stellenweise das umtriebige, wechselhafte Geschehen.
Wie Zappel-Philipp mal 16 muten die Tänzer*innen an, die in Hemd und Hose, mit gegeltem Haar, Brille auf der Nase, wie eine und dieselbe Figur, staccatoartig unterwegs sind. Es gibt so gut wie keine fließende Bewegung. Sondern ausgeklügelt wird offenbar das Verfahren zur Filmgewinnung direkt vor staunenden Publikumsaugen auf die Bühne gesetzt: Mindestens 14 bis 16 Bilder pro Sekunde braucht das menschliche Hirn, um diese als flüssige, nicht unbedingt ruckelfreie (wie es so schön heißt) Bewegung auszumachen. Die 16 Tänzer*innen sind aufgefächert in unterschiedlich einfacheren bis virtuos konstruierten Ruckel-Gruppen-Konstellationen unterwegs: Zwischen Radiostation, Aufnahmegerät, Tonstudio, Klavier und schwarzen Wänden, die sie selbst verschieben. Das Tun, das Herstellen, das Komponieren, das Anfertigen sind die Themen in der wie unterirdisch anmutenden Produktionsfirma Marke „Faktenbasierte Fantasie“. Aufschlussreiche, auch berührende Morricone-Zitate weiß Morau treffsicher zu nutzen. Und dann verfließen die Handlungen doch noch zu Pferdegewieher und Italo-Western-Stimmung, Hände werden zu Colts, Körper zu springenden Pferden und Cowboys.
Zwei Tänzer, die in besonderem Maß Morricone ähneln, ragen heraus. Aberwitzig produzieren sie am laufenden Band, setzen scheinbar Instrumente in Gang, ziehen die Fäden der Szenen und setzen nach und nach weitere Morricones in Szene: sieben Puppen werden es am Ende sein, die quasi zum Publikum sprechen. Ennio überall. Für die Filmgeschichte mag das so sein. Für das Ensemble Aterballetto, das 1977 gegründet wurde und vor zwei Jahren zu Italiens erstem Nationalen Choreografischen Zentrum erhoben wurde, ist „Notte Morricone“ ein vorzügliches Reise-Stück „Italo-Danza“.
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