„Scheme“ von Fran Díaz, Tanz: Keren Leiman, Lou Thabart, Alberto Chianello

Mechanismen der Tanzverweigerung

„Scheme“ von Fran Díaz zum Auftakt der Reihe D-Dance in der Heidelberger Hebelhalle

Druck und Frustration weichen hier gegenseitigem Raum für persönliche Entfaltung

Heidelberg, 10/09/2024

Beim Casting für sein Stück „Scheme“ hat der spanische Choreograf Fran Díaz nach drei Protagonisten gesucht, wie sie unterschiedlicher kaum sein könnten. Keren Leiman kommt vom berühmten Nederlands Dans Theater 1 und verkörpert geradezu den Typ einer modernen Tänzerin – groß, mit androgynem Körper, träumerischer Ausstrahlung und weichen, fließenden Bewegungen. Alberto Chianello wirkt dagegen wie eine leicht untersetzte Kraftmaschine, der gern bodennah mit tiefem Schwerpunkt agiert und akrobatische Kraftakte vorführt. Dritter im Bunde ist Lou Thabart, der seine Ballett-Herkunft (Pariser Oper) mit zurückhaltender Eleganz verkörpert. Alle drei tragen die gleiche lässige Alltagsuniform (beige Hose, blaues Hemd), und auch ansonsten müssen sie ziemlich oft das Gleiche tun – nur ist es natürlich nie dasselbe.

Heimlicher vierter Mitspieler ist ein High-Tech-Bürostuhl, Sinnbild für institutionelle Bürokratie. Keren Leimann probiert ihn spielerisch aus wie ein Kind, verstellt Armlehnen und Sitzhöhe und faltet den überaus biegsamen Körper virtuos zwischen Rückenlehne und Sicherheitsrollen. Aber so viel Lässigkeit ist nicht erlaubt – die Tänzerin wird von einer erbarmungslosen elektronischen Geräuschkulisse (Tondesign vom Choreografen) zur Ordnung gerufen. Ganz am Ende darf der Bürostuhl wieder mitspielen: In einem Akt der Befreiung schleudert ihn Alberto Chianello im Kreis, den enormen Fliehkräften souverän widerstehend. 

Auf Kommando zusammen tanzen

Bis dahin haben die Drei auf der Bühne durchgespielt, was passiert, wenn sie auf Kommando zusammen tanzen sollen – dieselben Bewegungen ausführen, sich nachahmen, sich ignorieren, inspirieren, konkurrieren, unterstützen, behindern. Kraftvoll und zugleich sehr fein und detailliert hat Fran Díaz mit seinen Protagonisten ausprobiert, wie schwer es ist, Individualität und Solidarität zusammenzubringen. Ihm gelingen beklemmende Bilder von Körperknäueln, in denen der Versuch der Zusammenarbeit in gegenseitige Behinderung umschlägt, von Druck und Frustration, aber auch Augenblicke somnambuler Leichtigkeit. Am Ende schimmert durch, wie sich die Einzelnen gegenseitig Raum zur Entfaltung geben könnten – ganz ohne bürokratische Institution. 
Fran Díaz hat mit seinen Choreografien schon mehrere Preise gewonnen und große Kompanien auf sich aufmerksam gemacht. In der Hebelhalle gastiert er aber aus einem anderen Grund: Sein Stück eröffnet die Gastspiel-Reihe D-Dance, in der Stücke mit besonderem Bezug zur Neckarstadt gezeigt werden. All diesen Aufführungen ist gemeinsam, dass sie zumindest teilweise im räumlich an die Hebelhalle angrenzenden Choreografischen Centrum erarbeitet wurden. Ohne Produktionsräume und finanzielle Unterstützung können solche Stücke nicht entstehen – „Scheme“ ist ein würdiger Auftakt für diese besondere Gastspielreihe made in Heidelberg.

 

Kommentare

There are no comments yet

Ähnliche Artikel

basierend auf den Schlüsselwörtern