Intendant des Hamburg Ballett erhält „Prix Benois de la Danse“
John Neumeier wird für sein Lebenswerk geehrt
Da gibt es seit dem Jahre 1991 in Moskau ein „Projekt Benois de la Danse“ mit Präsident (Juri Grigorowitsch, früher Chef des Bolschoi-Balletts), Generaldirektorin, künstlerischer Leiterin und großer Administration, allesamt Russen, das nur das Ziel verfolgt, an Ballettkünstler Preise zu verleihen, die von einer internationalen Jury zuerkannt werden, deren Mitglieder die Kandidaten selbst nominieren. Die Prix Benois werden jeweils bei Galas in jener Stadt vergeben, in welcher der Hauptsponsor den Firmensitz hat. Weil das diesmal die Sparda-Bank war, durfte sich heuer Stuttgart im Glanze des „Ballett-Oscars“ sonnen. Wie auch immer – die Szene ist von dem Ereignis überaus beglückt, die Nominierten reisen aus aller Welt an, die Jury (Grigorowitsch, Loipa Araujo, Karen Kain, Birgit Keil, Kevin McKenzie, Ludmilla Semenjaka und Heinz Spoerli) ließe sich prominenter kaum besetzen, und wenn man die Namen der Mitglieder des Ehrenkomitees liest, vom baden-württembergischen Kultusminister Klaus v. Trotha bis zu Peter Ustinov, kann einem ganz schwindelig werden. Der russische Kultusminister Mikhail Schwydkoy war gar unmittelbar vom Beutekunst-Austausch in St. Petersburg zu einem Grußwort ins Stuttgarter Opernhaus geeilt.
Weil der Prix Benois de la Danse kein Wettbewerb ist, sondern für bereits erbrachte Einzelleistungen zuerkannt wird, konnten die Auftritte der 21 Nominierten nur als Beispiele ihrer Kunst dienen, zumal nicht alle das tanzten, was ihnen die Nennung eingetragen hatte. Am Ende der vierstündigen Gala, von Ballettchef Reid Anderson brillant moderiert, durften sich auf der prächtig dekorierten Bühne als zertifizierte Beste der Welt freuen: Jaffar Chalabi für sein Bühnenbild zu „Vielfältigkeit, Formen von Stille und Leere“ des Spaniers Nacho Duato, der für dieses Werk auch den Choreografie-Preis erhielt. Der Preis für den besten Tänzer ging zu gleichen Teilen an Jean-Guillaume Bart von der Pariser Opéra („Apollo“), der wegen einer Premiere verhindert war, und Angel Corella vom American Ballet Theatre in New York für seine Interpretation in Jerome Robbins‘ „Other Dances“.
Auch der Preis für die beste Tänzerin wurde geteilt. Er ging an Julie Kent, deren hinreißende Gastspiele als Stuttgarter „Giselle“ noch in bester Erinnerung sind (ebenfalls für „Other Dances“) und an Alessandra Ferri, wie Kent vom American Ballet Theatre, für die Titelpartie in Kenneth MacMillans „Anastasia“. Leider hatte sich Ferri am Abend zuvor verletzt, sodass sie nicht anwesend war.
Außerdem erhielt die ehemalige Ballerina und jetzige Ballettdirektorin Alicia Alonso einen Prix Benois für ihr Lebenswerk. Die mindestens 79 Jahre alte Kubanerin konnte ebenfalls nicht aus Havanna kommen. So unbestritten die Qualitäten dieser Weltstars sind – die Stuttgarter Zuschauer, unter ihnen Prominenz satt, hätten doch zu gerne gesehen, dass ihr Robert Tewsley (für Albrecht in Andersons „Giselle“ nominiert) bester Ballerino geworden wäre, zumal er sich zusammen mit der köstlichen Julia Krämer in einem urkomischen Pas de deux von Christian Spuck zum Liebling des Abends emportanzte.
Und auch die an der Deutschen Oper Berlin tanzende Ex-Stuttgarterin Margaret Illmann (für Heinz Spoerlis „Sommernachtstraum“ nominiert) ging leer aus. Wenigstens konnten die Fans ihrer Wiedersehensfreude mit unzähligen Blumensträußen und minutenlangem Applaus Ausdruck verleihen. Und auch dass sich die liebreizende Taciana Cascelli vom Essener Ballett („Romeo und Julia“ von Jean-Christophe Maillot) mit einer Urkunde begnügen musste, rief allgemeines Bedauern hervor.
Dennoch ein glorioser Abend, dessen Glanz allerdings durch den Umstand getrübt wurde, dass die Jury zu ihren bereits am Tag zuvor getroffenen Entscheidungen nicht etwa durch das persönliche Anschauen von Aufführungen der Nominierten gekommen war, sondern durch das Betrachten von Videoaufnahmen von zum Teil fragwürdiger Qualität. Angesichts all des enormen finanziellen Aufwandes der überaus edel daher kommenden Veranstaltung, sollte dieser, die eigentliche künstlerische Seriosität des ganzen Unternehmens schwer beeinträchtigende Mangel künftig unbedingt behoben werden.
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