Callas' letzte Stunden abgeschritten
Die Uraufführung von Haydées/Ivos „M. – wie Callas“ im Stuttgarter Theaterhaus
Tanztheater? George Taboris „Ödipus“, eine Koproduktion des Berliner Ensembles und des Theaterhauses Stuttgart, hat viele Vorgänger – unter anderem Artauds Theater der Grausamkeit, Grotowskis Theaterlaboratorium und das Living Theatre von Julian Beck und Judith Malina – alles Theaterformen einer exzessiven Körperlichkeit. Tabori trat hier wohl primär als Inspirationsquelle und Arrangeur in Erscheinung (dessen Handschrift als Regisseur noch am ehesten in der Eingangsszene zu spüren ist: der spannend inszenierten Auseinandersetzung zwischen Ismael Ivo – hier noch als vermeintlicher Theaterbesucher, der seinen Platz bereits besetzt findet und mit dem dort Sitzenden handgreiflich wird und in einen rassistischen Fight gerät, der dann auf der Bühne ausgetragen wird und schließlich mit dem Totschlag des Zuschauers endet – wobei einem spätestens aufgeht, dass das Opfer Laios, König von Theben, war und der Totschläger Ödipus, sein Sohn.
Als Choreografen zeichnen sich Marcia Haydée und Ivo verantwortlich. Sie tanzt die Jokaste und Ivo den Ödipus – beide bringen ihre Erfahrungen in ihre Rollen ein, Haydée ihre ballettgereifte Mimenkunst und Ivo die expressiven Mittel, die er sich vor allem mit Johann Kresnik erarbeitet hat – also das masonarzisstische Sammelsurium aus Spastik, Schweiß und Blut. Tanz ereignet sich dabei wenig – am ehesten noch in den beiden Nebenrollen der (überflüssigen) Jokaste-Ödipus-Tochter Antigone (Cristina Perera als liebliche Kontrastfigur zu all den hochgepeitschten Emotionen) und der Pest (fürchterlich anzusehen wie ein ausgemergeltes Gespenst, aber von einer unheimlichen Bannkraft in ihren spitzend-stechenden Bewegungen: Chiara Tanesini).
Die Wucht der schicksalshaften Tragödie erscheint hier zu einem gemimten Cartoon reduziert – mit klar gezeichneten dramatischen Situationen, aber ohne jede Tiefendimension: ansprechende Bildchen in Marcel Kaskelines suggestivem Bühnenraum und Margit Koppendorfers schwarzen Kostümen (mit dem Schauspieler Jonas Fürstenau als Laios und Teiresias), in einem klanglichen Environment von Wolfgang Dauner, Arvo Pärt und anderen (aber leider nicht Xenakis, dessen Musik noch am ehesten diesem Sujet entsprochen hätte) – eine Art Scharade mit dem Titel „Wer fürchtet sich vorm schwarzen Mann?“.
Die Probenfotos im Programmheft deuten an, in welche Richtung die ganze Produktion hätte laufen können; als theatralische Vision des Malers Francis Bacon. Doch dazu hätte es eines kreativen Choreografen bedurft – und der ist der große George Tabori nun wirklich nicht, behauptet auch gar nicht, es zu sein (nicht mal ein kleiner). Choreografen sind aber auch Haydée und Ivo nicht, die in der Vergangenheit immer wieder bewiesen haben, welche großartigen Tänzerdarsteller sie sein können, die hier aber lediglich aus dem Fundus ihrer langjährigen Praxis agieren.
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