Galili Dance mit „For Heaven's Sake“

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Ludwigsburg, 06/12/2002

Als ein Nikolaus erwies sich der an diesem Abend in Ludwigsburg mit seiner holländischen Truppe aus Groningen gastierende israelische Choreograf Itzak Galili nicht gerade. Eher mutete das, was da knapp siebzig Minuten lang auf die Zuschauer einwirkte, befremdlich an, was sie jedoch nicht daran hinderte, am Schluss lebhaften Beifall zu spenden.

Es begann, seltsam genug, mit rhythmischem Klatschen im Dunkel. Aus der Finsternis heraus schälten sich peu à peu zwei Männer, die sich im gleichen Takt gegen Schultern, Brustkorb und Schenkel schlugen und sich dabei peu à peu ihrer Kleider bis auf die Badehose entledigten. Sozusagen eine alternative Methode sich auszuziehen. Das ging so zwölf Minuten lang und begann ein paar Besucher zu nerven, die dann, die beiden Tänzer ermutigend, mitklatschten, es aber bald wieder aufgaben. Hinterher lasen wir im Programm, dass wir da Zeugen eines „Rituals der Gewalt“ geworden waren.

Ich fragte mich, ob dies vielleicht eine Art neues, möglicherweise spezifisch holländisches Flagellantentum war. Auch darüber klärte uns das Programmheft auf: „Die sichtbare Gewalt und der daraus resultierende unsichtbare Schmerz sind die Themen ... Gewalt, ob durch Krieg, Terrorismus oder andere Bedrohungen, verdichtet der in Israel geborene Choreograf symbolhaft, so dass sie fast körperlich nachfühlbar wird, unsere Ohnmacht eingeschlossen“ – wohl deshalb der Titel „For Heaven‘s Sake“ oder „Um Himmels willen“.

Dann nehmen die im Hintergrund der Bühne sitzenden fünf Trommler den Rhythmus auf, verstärken ihn und die einer nach dem anderen erscheinenden zehn Tänzer beginnen mit einem kampfsportartigen Exercise, aus dem sich Soli, Duos und kleinere Ensembles abspalten. Während die Musiker auch mit Gitarre, Flöte und einem zitterähnlichen Instrument ihre orientalischen Beschwörungs-Klänge produzieren, später auch von einem Paar Schrifttafeln präsentiert werden, werden die Tänzer in heftige Auseinandersetzungen verwickelt, aus denen sie nicht ohne Blessuren hervorgehen.

Im ruhigeren zweiten Teil kehren sie dann mit Prothesen zurück, humpeln in Schlangenlinien über die Bühne und stopfen sich die Mäuler voll, während sich im Vordergrund Paare auf dem Boden wälzen und am Schluss ein Mann, quasi ein Prothesen-Mobile, langsam von rechts nach links an der Rampe entlang arbeitet. Ein Beitrag fürs Kulturprogramm der Paralympics? Der Choreograf als orthopädischer Animator? Auf was doch unsere heutigen Tanzerfinder so alles kommen! Da sind wir aber gespannt, was sich unser Mann aus Groningen wohl einfallen lässt, wenn er demnächst fürs Stuttgarter Ballett choreografiert.

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