Gunhild Oberzaucher-Schüller und Ingrid Giel: „Rosalia Chladek - Klassikerin des bewegten Ausdrucks"

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Stuttgart, 22/08/2002

1905 in Brünn geboren, 1995 in Wien gestorben, wurde Rosalia Chladek zur Ikone der Wiener Tanzszene. Geprägt durch ihr Studium in den zwanziger Jahren an der von Jacques-Dalcroze gegründeten Lehranstalt für rhythmisch-musikalische Erziehung in Hellerau bei Dresden, dann künstlerische Leiterin des Nachfolgeinstituts in Laxenburg bei Wien, machte sie Karriere als Solotänzerin, auch als Choreografin (namentlich der Antiken-Festspiele auf Sizilien), mit ein paar Abstechern auch an die Theater von Basel und Wien, zunehmend dann auch als Pädagogin, als die sie ihr eigenes System entwickelte, um dessen Weiterverbreitung sich die „International Chladek Society“ bemüht.

Jetzt ist im Verlag von Klaus Kieser in München ein neues Buch über sie erschienen, herausgegeben von den beiden Wienerinnen Gunhild Oberzaucher-Schüller und Ingrid Giel: „Rosalia Chladek – Klassikerin des bewegten Ausdrucks“ (175 Seiten, diverse Illustrationen, Euro 15, ISDN 3-935456-03-4). Es beschreibt anschaulich ihre Arbeit als Solotänzerin, Choreografin und Pädagogin vor dem Hintergrund der politisch so turbulenten Jahrzehnte (die sie, eine Moralistin des Tanzes, ohne die mindeste Einbuße an ihrer menschlich-künstlerischen Integrität überlebte) – ohne doch zum Kern ihrer Persönlichkeit vorzudringen.

Das aber ist noch nie jemandem gelungen – nicht Fritz Klingenbeck als Autor der ersten Chladek-Monografie, nicht Axel A. Buschbeck in seiner Wiener Dissertation und auch den vielen anderen Publizisten nicht, die über sie eine Unzahl von Artikeln verfasst haben. Übrigens auch mir nicht, der ich ihr in den sechziger und siebziger Jahren in Wien häufig begegnet bin und mit ihr ein paar Gespräche geführt habe. Unnahbar, distanziert, offenbar ganz ohne Privatleben, habe ich sie immer bewundert ob ihrer unbedingten Konsequenz in allem, was sie tat, vor allem aber auch ob ihrer genuinen Musikalität.

Von all den Großen des Ausdruckstanzes, die ich noch persönlich kennengelernt habe – Wigman, Georgi, Hoyer, Kreutzberg – war sie die kühlste, strengste (und am strengsten wohl gegen sich selbst). Sie hat Medea, Jean d‘Arc, das Marienleben und – eher überraschend – die Kameliendame getanzt (neben vielen anderen herausragenden Frauenpersönlichkeiten), doch wenn ich an sie zurückdenke, sehe ich sie eher als eine Nachfolgerin der Amazonen-Königin Penthesilea, wenn nicht gar als Turandot vor mir. Ob es wohl Andrea Amort gelingen wird, in ihrer geplanten Studie diesen Eisenpanzer, mit dem sich Chladek Zeit ihres Lebens umgürtet hat, zu durchbrechen?

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