25 Jahre Heinz-Bosl-Stiftung

Kunst statt Kunststücke in der Jubiläums-Matinee

München, 18/05/2003

In ihrer kleinen Rede vor dem Vorhang des Nationaltheaters nannte Konstanze Vernon als Vorbilder für die von ihr geleitete Ballett-Akademie München/Heinz-Bosl-Stiftung die großen Akademien in Paris und in St. Petersburg. Im Vergleich mit diesen alten Institutionen sei man zwar nicht einmal ein Embryo, aber: „Wenn ich mich in Bayern umsehe, hat es auf einem leitenden Posten niemand 25 Jahre ausgehalten.“ Die Lebensleistung der ehemaligen Münchner Ballerina und späteren Gründerin des Bayerischen Staatsballetts, das sie neun Jahre lang als Direktorin lenkte, ist grandios, auch wenn man nur ihre Ausbildungstätigkeit ansieht. In aller Kürze: Weil Konstanze Vernon in den 70er Jahren sah, dass an der Ballettabteilung der Münchner Musikhochschule, die in einem einzigen Trainingsraum nur zwei festangestellte Pädagogen für 60 Studenten hatte, zu einer ordentlichen Ausbildung wöchentlich ca. 100 Unterrichtsstunden fehlten, gründete sie gemeinsam mit ihrem Ehemann Fred Hoffmann eine Stiftung, der sie den Namen ihres früh verstorbenen Partners Heinz Bosl gab.

Mit deren Hilfe und einem überzeugenden Umgang mit den politischen Entscheidungsträgern konnte sie ein Ausbildungszentrum aufbauen, das heute in eigenen lichtdurchfluteten Räumen 12 Pädagogen, zwei Pianisten und weitere zehn Korrepetitoren beschäftigt. Unter mittlerweile 180 Studenten aus knapp 20 Nationen sind derzeit 43 Vollzeitstudenten, und dank der bereits seit 1979 international erzielten Preise der dort Studierenden ist das an die Münchner Hochschule für Musik angegliederte Ausbildungszentrum für Ballett, kurz die Bosl-Stiftung, für die besten Talente von überall her seit langem ein begehrtes Ziel. Und damit nicht genug: Ganz in der Nähe eines vor einigen Jahren von der Stiftung erworbenen ehemaligen Hotels, in dem 42 geförderte Studenten wohnen, entsteht ein choreografisches Zentrum mit einem 208 qm großen Ballettsaal, das in diesem Sommer fertig werden soll!

Das Eröffnungsbild der sonntäglichen Matinee füllte die große Bühne bis an den Rand mit 178 Schülern aller Alterstufen. In diesem „Klassenkonzert“ zeigten sie, in ihrer reibungslosen Aufeinanderfolge an verschiedenen Trikotfarben kenntlich, zu den „Etuden“ von Czerny (am Flügel Aljoscha Zimmermann) Elemente des klassischen Trainings. Angefangen von den Kleinsten, die zuerst am Boden sitzend tadellos die Füße streckten, mündeten die Exercises an der Stange über die Drehungen und Sprünge in der Mitte in den von Kirill Melnikov choreografierten Pas de deux des Adagios. Zuletzt wechselten in der von Alexandre Prokofjew eingerichteten Coda die virtuosen Fertigkeiten der Diplomstudenten mit dem wiederholten punktgenauen Auftritt aller in einem Tempo, das die Zuschauer begeisterte.

Nach der Pause gab es Kunst statt Kunststücken, und es kam zum Tragen, was die Bosl-Matineen schon immer ausgezeichnet hat: Passgenaue Choreografien zur technischen und künstlerischen Förderung und Forderung des Nachwuchses. Hans van Manen, zum Jubiläum selbst anwesend, steuerte „Wet Desert“ bei. Fünf Paare in unterschiedlich unifarbenen Schlabberanzügen genossen im Grundduktus des Hüpfens mit gebogener Wirbelsäule und aus der Achse schwingenden Drehungen die moderne Phrasierung der Bewegungen. Mit einem allmählichen Hineinspüren in die energetische Qualität zur Musik von Steve Reich zelebrierten sie ein kurzes, aber nachhaltiges Opening. Ein Opening für die beglückend konzentriert dargebotenen „Evening Songs“ von Jirí Kylián zu vier Liedern für gemischten Chor von Antonin Dvorák. Hier konnten die drei jungen Tänzer und vier Tänzerinnen die Erfahrung machen, wie aus einem sakralen Beginn Spannung und theatrale Kraft erwächst, konnten dank Kylián erleben, wie die Ruhe dessen, was aus alten Quellen kommt, zu erhabener Stärke führt. Der Musik angeschmiegt war der Gleichklang des Pas de deux (Céline Weder und Wolfgang Tietze), bis das Paar zu einer Auseinandersetzung findet und am Ende, wie die anderen, zu einem Miteinander gelangt, das dann elegischer, aber verstetigt wirkt.

Nach diesen beiden Münchner Erstaufführungen gab es noch eine großbesetzte Uraufführung: „Simple Celebration“ von Robert North zu Musik von Benjamin Britten. In den Lila- und Rottönen der Kostüme von Monika Staykova ging es temperamentvoll, musikalisch verspielt und oft ohne Haltepunkt dahin, bis ein Junge nach einem dynamisch aufgeladenen Pas de deux allein dasteht und Beziehungswechsel Thema werden. Für ein Paar findet North schön fließende Bewegungen, um sie trotz interessanter Irritation wieder zusammen zu führen. Das alles wird mit hellwachem Bewusstsein getanzt und findet, wenn auch durch das durchgängig hohe Tempo der Coda etwas verwischt, seinen Weg in die umschmeichelten Sinne der Zuschauer. Eine unpathetische, angemessene Festlichkeit!

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