Morgen in arte: Sechs Bildchoreografien von Gert Weigelt

oe
Stuttgart, 26/04/2003

„Pinatz und andere Kleinigkeiten“ nennt Gert Weigelt seine sechs Bildchoreografien, die arte für morgen, Sonntag, um 20.15, ankündigt – und weiter, im Untertitel: „amuse oeil“ – sozusagen als Augenstimulanzien (vielleicht ja auch schon als Geheimtipp für die demnächst vom tanznetz geplanten Weigelt‘schen Fotobeiträge). Das sind nun in der Tat ganz andere Tanzfotos als wir sie von seinen Kollegen gewohnt sind, so, dass man eigentlich einen neuen Namen dafür erfinden müsste. In diesen TV-Sequenzen erobern sie sich mittels der Kamerafahrten und Schnitte durch ihre Animation noch eine zusätzliche Dimension, die sie als eigenständige Kunstwerke definieren. Sie wirken so wie belebte Skulpturen, denn Weigelt bevorzugt es, einzelne Gliedmaßen zu fotografieren, die wie abgetrennt vom Körper wirken und so eine Eigenexistenz führen. Und die kann ausgesprochen dramatischen Charakters sein, ja geradezu grausam bedrohliche Formen annehmen, besonders, wenn er Ballerinenbeine in hochhackigen Pumps fotografiert, die sich wie Dolche in den Boden bohren.

So inszeniert er gewissermaßen abstrakte Dramen, die von einer unglaublich kühlen ästhetischen Faszination und dabei zum Bersten mit Erotik aufgeladen sind (man denkt unwillkürlich an die Leder- und Lack-Ladies von Allen Jones). Darin ähneln sie den Balletten von Hans van Manen, so dass man versucht ist, in ihnen eine Metamorphose van Manen‘scher Choreografien in einen anderen Aggregatzustand zu sehen. Van Manen eröffnet denn auch die Reihe dieser Bildchoreografien, deren vier erste Teile zusammengefasst sind unter dem Titel „Through My Eyes“ – als Reverenzen an die vier Choreografen, mit denen sich Weigelt auf einer ästhetischen Wellenlänge weiß: eben van Manen („Arabesque – eine Autopsie“), Mats Ek („Opfer Clip“), William Forsythe („Impressing Uncle Bill“) und Pina Bausch („Pinatz“).

Weigelt selbst spricht in diesem Zusammenhang von den vier Choreografen als einer „glückskleeblatthaften Einheit ... Alle haben etwas, was in mir gewisse Saiten zum Klingen bringt. Mit allen vieren verbindet mich also eine gewisse partielle künstlerische Kongenialität.“ Zwei weitere dieser fotochoreografischen Essays nennt er „UnDeuxTrois, – Triste“ (zu Sibelius‘ „Valse triste“ – die anderen Komponisten sind Bach, Strawinsky und Nino Rota) und „B.A.L.L.E.R.I.N.A buchstabieren“. Die Tänzer, die sich ihm für dieses Experiment zur Verfügung gestellt haben, sind Antoinette Goodfellow, Nadja Saidakova, Simona Noja, Sandy Delasalle, José Katxua, Olivier Lucea und Bronislav Roznos – uneigennützig-selbstlose Pioniere alle sieben auf dieser auf und anregenden Exkursion in eine neue künstlerische Dimension.

Kommentare

Noch keine Beiträge

Ähnliche Artikel

basierend auf den Schlüsselwörtern