Zum achtzigsten Geburtstag von Gert Reinholm

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Stuttgart, 20/12/2003

Fast ein halbes Jahrhundert lang war der Name Gert Reinholm ein Synonym für Tanz in Berlin – genau: von 1942, seinem Eintritt als Neunzehnjähriger in die Ballettschule der Staatsoper Berlin und seiner noch während des Krieges erfolgten Aufnahme als Eleve ins Ballettcorps des Hauses Unter den Linden – bis zu seinem Ausscheiden als Ballettdirektor der Deutschen Oper Berlin am Ende der Spielzeit 1989/90.

Wie viele Intendanten hat er kommen und gehen sehen – von Heinz Tietjen über Ernst Legal, Carl Ebert, Rudolf Sellner, Egon Seefehlner und Siegfried Palm bis zu Götz Friedrich. Mit wie vielen Ballerinen hat er zusammengetanzt – von Sybill Werden, Maria Fris und Natascha Trofimowa über Suse Preisser und – vor allen – Gisela Deege bis zu Irène Skorik und Yvette Chauviré. Mit wie vielen Choreografen hat er zusammen gearbeitet – als Tänzer, als ganz und gar nicht graue Eminenz an der Seite von Tatjana Gsovsky, John Taras und Kenneth MacMillan bis zu seinem eigenen Direktorium als Förderer solcher damaligen Youngsters wie Johann Kresnik und Gerhard Bohner. Gar nicht zu fragen wage ich indessen, über wie viele Kritiker er sich geärgert haben mag.

Letzten Endes freilich schmilzt die nahezu endlose Liste der Namen jener Persönlichkeiten, mit denen er während seiner professionellen Laufbahn zu tun hatte, auf einen einzigen zusammen: Tatjana Gsovsky. O-Ton Reinholm: „Ich bin durch sie Tänzer geworden – und überhaupt das, was ich heute bin. Ich bin ein merkwürdig treuer Mensch. Wem ich einmal mein Leben verschrieben habe, den lasse ich so schnell nicht mehr los. Tatjana gehört dazu – sie zu allererst und für immer!“ Sie hat ihn geprägt und für ihn die Rollen geschaffen, mit denen er sich die Aufnahme in den Ehrenkodex des deutschen Balletts ertanzt hat: Prometheus, Daphnis, Tristan, Hamlet, Othello, Romeo, Pelleas, Armand und, und, und … Und nach der Beendigung seiner Tänzerkarriere mit ihr zusammen als Leiter der Berliner Tanzakademie.

War er auch ihr Faust? Ich weiß es nicht (immerhin hat sie ja mal „Abraxas“ choreografiert, damals in Frankfurt). Doch wenn ich mir Faust als den idealen deutschen Mann vorstelle, dann sehe ich ihn in tänzerischer Gestalt als Gert Reinholm vor mir – heute, da er in Berlin seinen achtzigsten Geburtstag feiert, mehr als je zuvor. Nicht als alten Mann, sondern in jenem Augenblick seiner Verwandlung in einen feurigen jungen Liebhaber, als der er seine wahre Identität entdeckt hat – als ewig junger Liebhaber des Tanzes! Meinen Glückwunsch in die Markgraf Albrecht Straße nach Berlin!

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