Aus der Pole-Position in die neue Saison: Das Staatsballett Berlin

oe
Stuttgart, 13/09/2004

Wenn das mal gut geht! Man gönnt ihnen ja, dass sie endlich nach langen Jahren wieder Licht am Ende des Tunnels sehen. Und so sind sie denn am letzten Wochenende – nach einem Amuse geule – in ihre erste Saison als Staatsballett Berlin gestartet – mit „Schwanensee“ in der Staatsoper und mit „Le Parc“ an der Deutschen Oper Berlin: gleichsam aus der Pole Position. Nicht nur mit ihren Starsolisten, Polina Seminova und Vladimir Malakhov „Unter den Linden“ und Nadja Saidakova und Ronald Savkovic in Charlottenburg – sondern auch mit einem neuen Marketing-Konzept, das automatisch alles mindestens eine Nummer größer erscheinen lässt. Vor allem die kommenden Ereignisse!

Dazu gehört die Ende des Monats anstehende Premiere des Strawinsky-Ballettabends mit Uwe Scholzens „Feuervogel“ und Angelin Preljocajs „Sacre du printemps“ (die natürlich keine echte Premiere ist, sondern eine Wiederaufnahme). Immerhin wird sich ihr der Musikchef des Hauses, Daniel Barenboim, höchstpersönlich annehmen – sozusagen als Taufpate, der als Geschenk auch noch das Mozart-Klavierkonzert A-Dur, KV 488 mitbringt, zu dessen Adagio Malakhov das „Voyage“-Solo tanzen wird, das Renato Zanella für ihn choreografiert hat. Barenboim also quasi als gute Fee (hoffentlich ohne Überraschungsauftritt einer Dame namens Carabosse, als die ich mir gut Margaret Illmann im finalen Allegro assai vorstellen könnte). Und dazu gehört auch die ebenfalls als Premiere angekündigte Wiederaufnahme von Maurice Béjarts „Ring um den Ring“. Dass sich Béjart selbst darum kümmern wird (will), dürfte die Berliner ganz schöne Überredungskünste gekostet haben, nachdem der Maestro aus Lausanne sich ja sonst seinen früher so innig geliebten deutschen Kompanien seit ein paar Jahren so strikt verweigert.

Was sonst noch alles versprochen wird – außer den Wiederaufnahmen etwa von Malakhovs „Bajadere“ und „Cinderella“, ein Balanchine- und ein Kylián-Abend, „Nussknacker“, „Onegin“, Scholzens „Lindentraum“, „Die Schneekönigin“, „Malakhov & Friends“ und sogar eine richtige Premiere: Kenneth MacMillans „Manon“ – alle Achtung! Da müssen die Berliner ganz schön ran! Und vielleicht hat sich bis Ende November ja auch in Berlin schon herumgesprochen, dass das als Gastspiel angekündigte Staatsopernballett aus St. Petersburg schon lange wieder unter seinem ehrwürdigen Namen als Mariinsky-Ballett auftritt und nicht länger als Kirov-Ballett fungiert.

Hoffentlich macht das Publikum da mit! Gern wüsste ich beispielsweise, wie hoch denn die Platzauslastung für den „Schwanensee“ am Samstag und „Le Parc“ am Sonntag war (ob denn der zweite und dritte Rang in der Deutschen Oper überhaupt aufgemacht waren). Wie wär's denn, wenn die Ballettdirektion einfach mal die Zahl der verkauften Karten diesem kj anhängte? Wenn allerdings Malakhov in Berlin als ein zweiter Nurejew gehandelt wird (wofür ihm dessen Charisma fehlt, von seiner Chuzpe ganz zu schweigen) sowie als eigenständiger Ballett-Intendant (stimmt ja – deren gab es immerhin auch schon vor ihm bei uns ein paar), wenn immer wieder betont wird, dass die Kompanie mit ihren 88 Tänzern die größte aller deutschen Ballett-Truppen ist (stimmt ebenfalls, aber muss man damit ständig hausieren gehen – das bedeutet ja nicht automatisch, dass sie auch die beste ist) – und vor allem, wenn er laufend zitiert wird mit „Ich will das Staatsballett zu einem der fünf bedeutendsten Ballettensembles der Welt machen – vergleichbar mit dem Kirov-Ballett, dem Pariser Ballett, mit Covent Garden und dem American Ballet“, dann sei ihm persönlich diese Hierarchie ja gern gegönnt. Wir müssen sie uns ja nicht unbedingt zu eigen machen, zumal da sie eine Wertskala repräsentiert, die für das neue Berlin nicht verbindlich ist.

Vielleicht wäre ja doch etwas mehr Bescheidenheit angebracht. Ich persönlich wäre schon heilfroh, wenn das Staatsballett Berlin auf einer Ebene mit dem offenbar sechstrangigen New York City Ballet konkurrieren würde (und wenn sie dann auch noch mit der Joie de vivre tanzen würden wie die Dänen, könnte in Berlin sogar so etwas wie ein neues tänzerisches Glücksgefühl entstehen)!

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