Der Film: „Rhythm Is It!“

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Stuttgart, 21/09/2004

Stimmt nicht! Denn der Rhythmus ist zwar der Auslöser und Antreiber, aber da kommt doch noch eine Menge hinzu. Am Anfang stehen die Stille und Konzentration, der Fokus, die Disziplin. Das ist jedenfalls das erste Gebot, das der Choreograf Royston Maldoom, ein wind- und wettergestählter siebzigjähriger Brite, den 250 Acht- bis Achtzehnjährigen eintrichtert, die sich zur ersten Probe in der Berliner Turnhalle eingefunden haben, um Strawinskys „Sacre du printemps“ einzustudieren.

Es sind Schulkinder aus den unterschiedlichsten sozialen Milieus und aus 25 Nationen, die noch kaum wissen, auf was sie sich da eingelassen haben – für dieses erste Projekt der Abteilung zukunft@bphil der Berliner Philharmoniker unter ihrem neuen Chefdirigenten Simon Rattle – und die weit überwiegend bis dahin mit klassischer Musik kaum etwas am Hut hatten. Und die im Laufe von sechs Wochen in einer Achterbahnfahrt der Gefühle, hin und her gerissen zwischen himmelhochjauchzender Begeisterung und Das-schaffen-wir-nie-Frustration, zu einer verschworenen Gemeinschaft zusammenwachsen und mit den Berliner Philharmonikern im ehemaligen Straßenbahndepot in Treptow eine Aufführung von „Sacre“ über die Breitwandbühne brettern, die exakt den chaotischen Charakter der Musik trifft, wie er auf das Publikum der Pariser Uraufführung von 1913 gewirkt haben muss.

Und so ist dies nicht nur ein begeisternder Dokumentationsfilm der verschiedensten Erfahrungen, die hier zusammenkommen, des Choreografen und seiner Assistenten, des äußerst sympathischen Simon Rattle, der Musiker des Orchesters und der Kids aus dem Märkischen Viertel – und letzten Endes ein Film über diese chaotische Stadt im vierten Jahr nach der Jahrtausendwende. Denn über seine pädagogische Funktion des Zusammenführens von elitärer Hochkultur und Sozialisation von Jugendlichen in ihrer schwierigsten Phase des Erwachsenwerdens hinaus ist dies nicht zuletzt auch ein eminent politischer Film. Weil er die Integration zeigt, die Musik und Tanz bewirken können.

Und so ist mindestens so wichtig, wie die Fortschritte der schweißtreibenden Arbeit zu beobachten und den persönlichen Kommentaren und Stories der Beteiligten zu lauschen, in die Gesichter dieser jungen Berliner zu sehen und zu lesen, was ihnen diese Arbeit bedeutet, und wie sie zumindest einen Teil ihres künftigen Lebens prägen wird: wie der Tanz ihrer Mienen den Tanz ihrer Körper und ihrer Gliedmaßen reflektiert. Der schönste und „anmachendste“ Tanzfilm seit „Billy Elliott“. Nichts wie hin!

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