Kompliziert gut
Gestreamt: „Der Feuervogel“ aus Karlsruhe samt Vorspiel
Die Kraft des Feuervogels, 103 junge Rumänen, Royston Maldoom, Josef Eder und eine starke Frau
Die starke Frau ist Monique Gruber aus Überlingen. Ihre Idee war es, in einem bislang einmaligen integrativen Projekt über 100 Kinder und Jugendliche aus Bukarest und weiteren rumänischen Städten in einem Projekt zusammenzuführen, das in seiner Art sicher Vorgänger hat, in seiner Realisierung so aber gänzlich einmalig ist. Es lebt von den Menschen, die zusammenkommen, von den Orten des Geschehens, von den Menschen, die es begleiten und nicht zuletzt von denen, die es erleben, oder auch nur davon erfahren. Es ist gelungen, in einem Proben- und Lebensprozess, im Schutz eines Kunstraumes mit Hilfe der choreografierten Verabredung ein Höchstmaß an Freiheit zu gewähren, auf dessen subversive Wirkweise alle Initiatoren ganz sicher vertrauen können.
Vor eineinhalb Jahren hat Monique Gruber im Rahmen der Aktionen „Jungen Rumänen eine Chance“ das Projekt „Feuervogel“ ins Leben gerufen. Sie hat sich nicht beirren lassen bei der frei finanzierten Unternehmung mit einem Volumen von 180.000 Euro, die auch drei Tage vor der Premiere erst zu 90 % zusammen gekommen sind, wenn auch manchmal ganz und gar nicht klar war, wo das Geld für den nächsten Arbeitsschritt herkommen soll. Sie fand Unterstützer und Mitarbeiter, vor allem kamen die Kinder und Jugendlichen, die bisher fast alle weder in einem Theater waren, von Choreografien nichts wussten und das Ballett „Der Feuervogel“ ganz bestimmt nicht kannten. Sie kannten weder Royston Maldoom noch das Berliner Projekt und dessen Ableger, ihnen mag es egal sein, ob der Choreograf auf seine Standartmethoden zurück greift. Sie kannten sich auch untereinander nicht, die Kinder mit starken Einschränkungen ihres Gehörs, die mit anderen körperlichen Einschränkungen oder diejenigen, die sich durchschlagen, sporadisch zur Schule gehen, oder mangels Ausbildung oder Arbeitschancen draußen sind.
Jetzt sind sie drinnen, solange das Projekt währt, täglich in einem Bukarester Gymnasium, zum Essen und Trinken, vor allem zum Arbeiten. Und sie wollen arbeiten. Sie genießen es, Zuwendung durch Anspruch zu erfahren. In der Erarbeitung von Zuverlässigkeit, ohne die keine Choreografie funktioniert, in der Eine dem Anderen ein sicherer Partner sein muss, die Starken und die weniger Kräftigen einander ergänzen, sogar auffangen, wenn es sein muss, begeben sie sich in Prozesse des Lernens und des Erfolges. Berührung und Nähe, Bewusstsein für Form, für Distanz und Tempo, Eigenwert und Gruppenbewusstsein. Alles wichtig, dennoch, so betont Monique Gruber, das Kunstprojekt steht im Vordergrund, hier wird etwas erschaffen, die Perfektion wird am Ende nicht vorrangig zählen, aber das Zusammenwirken von 103 Persönlichkeiten, von denen jede einzelne das Recht hat, im Licht zu stehen.
Das Projekt „Feuervogel“ wird präsentiert im Rahmen des 19. Enescu-Festivals, dem international renommierten Musikfestival Rumäniens, bei dem auch in diesem Jahr wieder die Spitzenorchester der Welt mit ihren Stardirigenten und den besten Solisten einander auf dem Konzertpodium ablösen. In der Nationaloper gastieren Opernstars, das Ballett Monte Carlo ist zu Gast, und Rumäniens bekannteste Oper „Oedipe“ von George Enescu eröffnete das Festival in einer Koproduktion mit dem Théatre du Capitole de Toulouse.
Zur Premiere „Feuervogel“, am 5. September, im riesigen Nationaltheater von Bukarest war ich nicht mehr da. Das Theater war ausverkauft, so erfahre ich, der Jubel war phänomenal, die Tränen flossen auf der Bühne und im Saal. Ich hatte immerhin, ganz knapp vor der Premiere, am 2. September, das Glück eine Probe zu besuchen. Da war schon zu sehen, von welcher Wirkung dieses Wechselspiel aus Ruhe und Sturm, aus der Spannung zwischen den Einzelnen und der mächtigen Gruppe sein wird. Zu sehen waren die suggestiven Wirkweisen der Ablösungen von Chaos und Ordnung, die stolz zu präsentierenden mühevoll eingeübten Formen absoluter Zuverlässigkeit. Tanzen hilft. Es ist ein Augenblick. Ein erfüllter Augenblick für die Tanzenden und diejenigen, die ihnen dabei zusehen.
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