Ein tänzerisches Smörgasbord

The Göteborg Ballet mit “In Hidden Seconds“ und „Swan Lake hoch zwei“

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Ludwigsburg, 11/12/2004

Ihre Ahnentafel reicht bis zum Nederlands Dans Theater zurück – über die spanische Seitenlinie der Duatos (nebst ihren Ursprüngen in New York). The Göteborg Ballet, das jetzt im Ludwigsburger Theater im Forum gastierte, ist die residente Kompanie des schwedischen Opernhauses. Sie wird geleitet von dem Amerikaner Kevin Irving. In Ludwigsburg präsentierte sie zuerst „In Hidden Seconds“ von dem Brooklyner Nicolo Fonte. Beide, Irving und Fonte, haben entscheidende künstlerische Formationsjahre bei Nacho Duatos spanischer Compania Nacional de Danzas verbracht (für die auch Fontes „In Hidden Seconds“ entstanden ist).

Es ist also ein durchaus interkontinentaler Mix, den The Göteborg Ballet repräsentiert. In Ludwigsburg kam noch der Finne Jorma Uotinen hinzu mit seinem „Swan Lake hoch zwei“ – einer modernen Interpretation des zweiten „Schwanensee“-Aktes, dessen Ankündigung nach den Erfahrungen seines kürzlich auf der gleichen Bühne vom Karlsruher Ballett gegebenen „Ballet Pathétique“ (siehe kj vom 1. Juli) Schlimmstes befürchten ließ – aber es ging dann doch recht harmlos zu. Insgesamt machten die Göteborger einen guten, durch und durch professionellen Eindruck, der denn auch vom Publikum entsprechend honoriert wurde. Interessant ist übrigens, dass Ludwigsburg demnächst die Kompanien NDT I, II und III ankündigt – so den Bogen schließend via Göteborg zu Duato und seiner NDT-Herkunft: eine ausgesprochen intelligente Programmdramaturgie – zur Nachahmung empfohlen!

Fontes „In Hidden Seconds“ für fünf Tänzerpaare zu einer stark streichergrundierten Musik von John Taverner fesselt mehr durch seine Beleuchtungseffekte und seine Auftritte aus dem Nebel sowie durch seine Vorhangüberraschungen als durch irgendwelche choreografischen Besonderheiten. Es ist in einem schönen Fluss gehalten, der Musik angeschmiegt – aufgesplittert in zahlreiche kleinformatige Episoden, gefällige Pas de deux und de trois, ohne herausstechende Soli – in einem gesofteten Modernismus, der seine Herkunft aus dem klassisch-akademischen Idiom nicht verleugnet. Das Ganze laut Programmheft eine „abstrakte und gleichzeitig ungeheuer intensive Faszination“ ausübend.

Ich fand‘s reichlich harmlos! Und den anschließenden 40-Minuten-„Schwanensee“ auch nicht gerade sonderlich aufregend, aber wenigstens auch nicht durch Unmusikalität (wie Uotinens „Pathétique“) provozierend. Auch hier wieder diese klassisch gesofteten Linien, wenn auch fern von Iwanow und natürlich nicht auf Spitze. Konzentriert auf einen Prinzen im roten Piraten-Look und einer Erwählten (wobei ich nur vermuten kann, dass Anandi Vinken die Dame und Tyler Gledhill wohl der Korsar war), sieben Leitschwäne, vier Kleine Schwäne und sechzehn weitere Tänzer, die ich ebenfalls für Schwäne hielt (darunter auch Tyler Gledhill, so dass ich mir über seine Maskulinität denn doch nicht so sicher bin). Ein bisschen Spiel mit einem roten Mantel, den sie findet – was mir vorkam wie Giselle, die plötzlich das Schwert von Albrecht entdeckt. Alles in ein Schwanenfeder-Ambiente getaucht und glänzend beleuchtet (von Mikki Kunttu) – trotzdem würde ich nicht behaupten, dass dieser „Schwanensee“ nun Federn gelassen hätte – eher eine federleichte, pläsierliche Erinnerungsmarginalie.

Wieder zu Hause und gerade noch auf arte das Finale des Leipziger „Dornröschen“ erwischt – Leipziger Ballettklassik (wie Dresdner Christstollen) made by Uwe Scholz – und den will ich gern so glanzvoll in Erinnerung behalten (wäre schade, wenn diese Leipziger Klassik nun mit ihm gestorben sein sollte). Und danach dann, ebenfalls auf arte, Helena Waldmanns „Letters from Tentland“ mit iranischen Performerinnen – nichts für die Erinnerung, sondern brennende, aktuellste Gegenwart über iranische Frauen von heute (trefflich beschrieben im „tanz-journal“ 04/06). Und dann auch noch, sozusagen als Late-Night-Betthupferl, ein Verschnitt aus Johann Kresniks bevorstehender „Hannelore Kohl“, der dann am Donnerstag in Bonn die Stunde schlägt. Muss ich unbedingt versuchen, auf einer meiner nächsten Nordland-Exkursionen mitzubekommen!

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